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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Rauchgrünes Totenhemd. Sie war stolz auf diese Formulierung: Rauchgrünes Totenhemd …
    In seinen Fingerspitzen spürte der Mann immer noch die weiche Haut an Alie’es Kehle. Sie hatte ihm keine Wahl gelassen. Sie war ihm im ungeeignetsten Moment, den es in ihrem Leben geben konnte, in die Quere gekommen …
    Sandy Lansing war in Panik geraten, hatte weglaufen wollen. Aber er musste mit ihr reden, musste sie zur Ordnung rufen. Er durfte nicht einfach über diese Sache hinwegsehen, musste die Gelegenheit ergreifen, diese geschäftliche Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Er hatte sie gepackt, versucht, sie gegen die Wand zu drücken. Irgendwie war sein Handteller unter ihr Kinn geraten, und als er zugedrückt hatte, war ihr Kopf zurückgezuckt und gegen den Türrahmen geprallt. Er hatte im wahrsten Sinn des Wortes gefühlt, wie ihr Schädel gebrochen war – die Erschütterung war durch seinen Handballen gezuckt. Wie man es in den Fingern spürt, wenn ein rohes Ei an der Kante einer Porzellantasse aufplatzt.
    Ihre Pupillen hatten sich nach oben gedreht, sie war an der Wand zusammengesunken, und er hatte den Flur hinunter zum Wohntrakt geschaut, wo die Party in vollem Gang war. Wenn jetzt die Tür da drüben aufging … »Steh auf«, hatte er gesagt. »Komm, steh auf, verdammt noch mal!«
    Er hatte ihren Arm gepackt und versucht, sie hochzuziehen, aber der Arm war so schrecklich schlaff gewesen. Tödlich schlaff. Und dann war es ihm klar geworden. Er hatte nach dem Puls gefühlt, nach dem Herzschlag – nichts. Angst hatte ihn gepackt: Um Gottes willen, sie war tot! Er kauerte über der Leiche wie ein Schakal über einem ungenießbaren Stück Fleisch, sah von ihrem Gesicht hinüber zu der Tür, die immer noch geschlossen war. Er hatte doch keinesfalls beabsichtigt, sie zu töten …
    Aber noch wusste es niemand …
    Die Leiche lag neben einer Tür. Er zog sie auf: ein Wandschrank mit einer Kleiderstange voller Jacken und Mäntel für kalte Tage. Er hob die Leiche an, versuchte, sie in den Schrank zu schieben. Er war zu schmal, liegend passte die Leiche nicht hinein, er musste sie anheben und halb aufrecht reindrücken … Als er sie mit einer Hand an der Kehle festhielt und versuchte, mit der anderen die Tür zu schließen, fragte eine Stimme dicht hinter ihm: »Was machen Sie denn da?«
    Sein Herzschlag setzte für Sekunden aus. Er fuhr herum und sah in diese grünen Augen; die Schranktür schloss sich mit einem Klicken. Und Alie’e fragte noch einmal: »Warum stecken Sie sie in den Wandschrank?«
     
     
    Der andere Mann hörte von Alie’es Tod im Autoradio. Zuerst dachte er, er hätte sich verhört; und dann meinte er, er sei verrückt geworden – das, was er gehört hatte, sei nur ein Albtraum im Wachzustand. Aber im Radio redeten die Reporter weiter und weiter und weiter … Und auch als er andere Stationen einschaltete, redeten sie nur über dasselbe Thema, redeten, redeten …
    Alie’e hier, Alie’e dort …
    Alie’e und Lesbierinnen …
    Alie’e nackt auf einem Foto …
    Alie’e tot …
    Der andere Mann fuhr an den Straßenrand, zog die Handbremse an, legte den Kopf aufs Lenkrad – und weinte. Konnte nicht aufhören; seine Schultern zitterten, und er atmete in keuchenden Zügen durch den geöffneten Mund.
    Nach langen fünf Minuten wischte er mit den Hemdsärmeln die Tränen weg, drehte sich um, nahm ein Klemmbrett vom Rücksitz, schob ein unbeschriebenes Blatt unter die Klemme.
    Und schrieb darauf: Wer ist daran schuld? Unterstrich den Satz.
    Darunter notierte er den ersten Namen.
    Und dachte: Es werden noch viele Namen folgen, ehe ich die Liste fertig habe.

8
     
     
     
    Auf dem Weg zurück ins Präsidium schaltete Lucas sein Handy ein und tippte Rose Maries für den Polizeiführungskreis reservierte Nummer ein. Sie meldete sich, und Lucas sagte: »Wir haben die Sache mit den Medien hingekriegt. Bei dem Einsatz sind wir auf eine Tonne Gras gestoßen, aber auch auf eine Menge Koks und Heroin. Ich glaube, die Reporter haben uns die Sache abgekauft.«
    »Sehr gut. Jetzt müssen wir uns das weitere Vorgehen gegenüber den Medien überlegen.«
    »Das klingt so, als ob der Umgang mit den Medien wichtiger wäre als die Überführung des Mörders.«
    »Sie wissen doch, wie das in der Realität aussieht, Lucas«, sagte Roux. »Wir werden den Killer fassen oder auch nicht, ganz unabhängig vom Verhalten der Medien. Aber die Medien können uns abschießen. Und ich beschäftige mich im Moment vorrangig

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