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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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geliebten Partner zu arrangieren, vielleicht sogar zwei-, dreimal oder noch öfter. Sie ›beugen‹ sich nicht. Das ist das einzige Wort, mit dem ich es, wenn nicht erklären, so doch beschreiben kann. Ruth war da anders. Und wenn Sie die Verhältnisse hinzunehmen, den Krieg, die Verfolgung, Angst, Einsamkeit, Ruths isolierte Situation in einem fremden Land, mit einer fremden Religion, mit einem Kind, obwohl sie selbst noch ein halbes Kind war. Wie hätte sie danach je wieder eine ähnlich intensive Beziehung haben können? Was konnte ihr je wieder so nahegehen? Ihre Liebe zu Jacob war so rein und bedingungslos, daß sie auch in der Einsamkeit und meist ungenährt ruhig und hell weiterbrannte, ein Leben lang.«
    »Meist ungenährt…«
    »Ja, ihr Verhältnis… es ging weiter. Wenn Sie so wollen, hat Ruth von den Krumen seines Tisches gelebt.«
    Der Maresciallo runzelte die Stirn. Das Wesen der Liebe war auch so etwas, worüber er nicht oft nachgedacht hatte, aber ihm wäre etwas Herkömmliches sympathischer gewesen als das, wovon D’Ancona sprach und was ihn zu sehr an das Leben der Heiligen erinnerte, deren Namen er längst vergessen hatte, aber von denen der Priester in seiner Kindheit Geschichten erzählte, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen. Ihn schauderte vor all der brennenden Reinheit und Opferbereitschaft.
    »Als ob er eine Art Gottheit gewesen wäre.«
    »O nein. Sie kannte seine Fehler. Aber die schienen sie nur noch fester an ihn zu binden.«
    »Und er? Ich meine, während sie sein Kind zur Welt brachte, raffte er ein Vermögen zusammen. Also was hat sie ihm bedeutet?«
    Es war eigentlich nur eine rhetorische Frage, denn der Mann hatte schließlich eine andere geheiratet, aber der Anwalt schien doch ernsthaft darüber nachzudenken. Endlich sagte er: »Sein Gewissen, seine Wahrheit. Der Mann, den Ruth liebte, war der echte Jacob Roth. Daran hat er sich geklammert.«
    Der Maresciallo musterte D’Ancona prüfend. Was hatte er doch vorhin gesagt? Es trifft Männer ebenso wie Frauen. Der Maresciallo war sicher, daß der Anwalt verliebt gewesen war in Ruth Hirsch und die reine Flamme, die in ihrem Herzen brannte. Vielleicht hatte er auch für sie beide geschwärmt und für ihre außergewöhnliche Geschichte. Was konnte so einem Provinzanwalt schließlich je Romantischeres widerfahren? Die einzige Verliererin in dieser Geschichte war Sara, die nie ein eigenes Leben leben durfte. Sara, die mit den Überbleibseln eines hehren Traums aufgezogen wurde und die doch vielleicht zufrieden gewesen wäre mit einem vernünftigen Mann und ein paar netten Kindern. Statt dessen hatte sie ihr Leben, überschattet von Krieg und Habgier, Egoismus und Leidenschaft, in einem Kloster versteckt begonnen, zusammen mit ihrer einsamen, verängstigten Mutter. Und wie hatte es geendet… »Darf ich fragen, warum Sie so skeptisch dreinblicken? Scheint Ihnen meine Einschätzung ihrer Beziehung nicht überzeugend?«
    »Nein, nein… Darüber würde ich mir kein Urteil erlauben. Ich dachte daran, daß Saras Tod ein Unfall war und… ach, es klingt vielleicht töricht, aber sie scheint nie eine Rolle gespielt zu haben, nicht wahr? Sie war nicht einmal wichtig genug, um ermordet zu werden. Warum wollte man sie unbedingt aus ihrer Wohnung vertreiben?«
    »Ich weiß nicht, aber vermutlich, um sie zu verkaufen?«
    »Sie sagten, das Haus gehört einer Stiftung.«
    »Die Jacob gegründet hat, ja.«
    »Sind Sie im Vorstand?«
    »Ja.«
    »Und Rinaldi?«
    »Auch.«
    »Also handelt er eigennützig.«
    »Ich muß Sie bitten, Geduld zu haben. Wenn Sie alle Fakten kennen und ermessen können, was ich zu tun versuche, dann werde ich auch in der Lage sein, Ihnen zu helfen.«
    »Verzeihen Sie, ich bin hier, um Ihnen zuzuhören, nicht um Sie zu vernehmen. Es ist bloß – nun ja, wie ich eben schon sagte – Sara scheint nie jemand ernst genommen zu haben.«
    »Sie haben sie ernst genommen. Das hat sie mir selbst gesagt. Ich muß gestehen, daß ich es nicht getan habe.«
    »Nein?«
    »Ich bin sicher, auch Sie hatten Ihre Zweifel, ob diese Bedrohungen, von denen sie sprach, echt oder nur eingebildet waren.«
    Der Maresciallo war erleichtert. »Ja. Ja, ich hatte meine Zweifel, und bis jetzt dachte ich, es hätte daran gelegen, daß ich sie nicht gut genug kannte. Aber wenn es Ihnen genauso ging… Ich hatte ihr versprochen, sie zu besuchen, doch ich habe zu lange damit gewartet. Als ich hinkam, war sie schon tot.«
    »Und jetzt machen Sie sich

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