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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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Wahnsinns-Sound gehabt hatte. Er musste Blues nach der Gitarre fragen, unbedingt. Wer sie besaß, hatte Magie in den Fingern, es musste einfach so sein.
    Geduckt lief er die Böschung hinunter. Für gewöhnlich nahm er die Abkürzung über die hohe Eisenbahnbrücke, doch gegen die tiefstehende Sonne würde er ein zu gutes Ziel abgeben. Er kniff die Augen zusammen; am gegenüberliegenden Ufer bewegte sich nichts. Aber was besagte das schon – dass die Anderen wussten, dass er kam, und ihm eine Falle stellten?
    Seltsam, wie sich die Dinge änderten. Noch vor wenigen Wochen hätte er sich keine Gedanken über irgendwelches Gesindel gemacht. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, in den nächsten Tagen zum alten Güterwaggondepot zurückzugehen und die geheimen Zeichen in den Sand oder an die Mauern zu malen. Vielleicht wurde es wieder Zeit, sich auf die Reise zu begeben. Und diesmal wäre er nicht auf sich allein gestellt.

    Stunden später kehrte er mit müden Schritten und leeren Händen zu dem Parkplatz hinter dem Supermarkt zurück. Blues hatte ein kleines Feuer angemacht und hielt die Hände über die Flammen, mehr aus Gewohnheit, denn es war immer noch warm. Vermutlich wartete er auf die versprochenen Konserven, um Abendessen zu machen. Neil spürte einen Kloß im Hals und vermied es, dem Freund in die Augen zu sehen.
    »Vergiss es, Junge. Morgen ist ein neuer Tag«, er lachte heiser »früher hieß es immer – neues Spiel, neues Glück, also zerbrich dir nicht den Kopf und geh schlafen.«
    Sicher, es war nicht das erste Mal, dass Neil hungrig schlafen ging, damals in dem Heim im Norden war es an der Tagesordnung, jetzt erschien es ihm aber wie ein böses Vorzeichen. Er grub unter seinem Bündel und fand den Riegel Dauerbrot. Neil brach ein Stück ab und warf es dem Alten zu, dann erst nahm er seine Decken und machte sich ein Lager nahe der Feuerstelle.
    »Alles nur Gerede, kein Gesindel am anderen Ufer, keine neuen Wohlfahrtsprogramme«, murmelte er zur Selbstberuhigung.
    »Was schimpfst du, Junge?«
    »Gar nichts, hab nur auf ’nem Stein gelegen«, rief er schläfrig. Er sah zum sternenklaren Nachthimmel. »Sag, stimmt es wirklich, sind die damals zu den Sternen gereist?«
    »Planeten, zu den Planeten. Hab’s dir doch schon hundert Mal erzählt«, klang die Stimme seines Freundes aus dem Heck des Kleinlasters. »Und jetzt gib endlich Ruhe.«
    Und im Traum hörte er das schrille Pfeifen einer Lokomotive – der Nachtzug auf seinem Weg nach Süden.

    »Erzähl, wie war das, als ihr im ›wah wah‹ gespielt habt?« ruft Neil über den Platz. »Du und dieser Chip.«
    »Ist verdammt lange her, Mann.«
    Er klingt unwillig heute, denkt der Junge. Doch er muss endlich den Schluss der Geschichte hören. Er setzt sich auf das Trittbrett des Trucks, entschlossen, nicht zu gehen, bevor er alles erfahren hat. Fröstelnd schlägt er den Kragen seines zerschlissenen Sweaters hoch, überlegt, ob er sich aufs Bitten verlegen soll.
    »Damals waren wir schon groß im Geschäft«, sagt der Alte, wie zu sich selbst. »Haben nur noch in diesen riesigen Football-Stadien gespielt. Mann, es war gigantisch, einfach völlig abgehoben. Wir hatten alles, Mädchen, Drogen. Alles, was du dir vorstellen kannst, Junge. Wir fragten danach, und wir kriegten es.«
    »Als ihr den Top-Ten-Hit hattet?« gibt Neil das nächste Stichwort. »›Run With the Devil‹?«
    »Nein, das war in der Saison davor gewesen. Danach hatte Chip die irre Idee, den Soundtrack für dieses Road-Movie zu schreiben. Dachten damals alle, er sei völlig ausgeflippt, Mann, haben wir uns getäuscht, neun Wochen war die LP in den Album-Charts.« Blues lachte sarkastisch. »Roadmanager, Plattenfirma, alle fraßen sie Chip aus der Hand, dem Goldjungen. Als er dann sagte, dass er wieder durch die Clubs touren wollte, so wie früher, in Kontakt mit den Leuten, sagten sie nur: ›Klar, Junge, wie du willst‹, einfach irre.«
    »Erzähl, wie war er so, dieser Chip?«
    »Wild, rastlos und der größte Leadgitarrist unter der Sonne.« Er sieht nachdenklich auf den Jungen mit den hungrigen Augen. »Ich glaube, er muss mal so wie du gewesen sein.«
    »Glaubst du, ich könnte es auch packen, so wie er? Was meinst du, Blues?« fragt er begierig.
    »Warum nicht? Mit der richtigen Gitarre, dem richtigen Lehrer, Ausdauer und Glück. Das Gefühl hast du jedenfalls, ohne das läuft gar nichts, kannst mir glauben.«
    Neil nickt. Genauso hatte er es sich gedacht, wenn er nur die Gitarre

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