Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
eigentlich sagen?“
Er reibt sich die Nasenwurzel, was ihn zu beruhigen scheint. „Ich versuche herauszufinden, warum du ausgerechnet dieses Buch liest. Suchst du Parallelen zu dir und Ben?“
Irritiert sehe ich ihn an. „Öh, nein. Ich lese es, weil es mich angesprochen hat. Die Geschichte ist interessant.“
Das reicht ihm offensichtlich nicht. „Was hat dich denn daran angesprochen?“
Ich zucke mit den Achseln und betrachte den Einband. Tatsächlich ist er unspektakulär. „Keine Ahnung.“
Schweigen entsteht zwischen uns.
„ Warum gehst du mir eigentlich aus dem Weg?“, erkundigt er sich nach einer Weile.
„ Ich gehe dir aus dem Weg?“ Verblüfft sehe ich ihn an.
„ Das tust du.“
Ich seufze. Also darüber will er sprechen. Und wenn ich dich dafür bezahle?, echot es in meinem Kopf nach. „Nun ja, vielleicht liegt es daran, dass wir unschön auseinandergegangen sind“, formuliere ich es mal vorsichtig und er beugt sich vor.
„ Ich weiß, ich hätte das nicht sagen dürfen. Es tut mir leid.“
Ich nicke. Zum einen um meine Ruhe wiederzubekommen und mein Buch weiterlesen zu können, zum anderen weil es mir tatsächlich nichts mehr ausmacht. Spontane Erkenntnisse sind mir die Liebsten. „Akzeptiert.“
War das zu einfach?
„ Wie, das war’s schon? So leicht bist du zu versöhnen?“ Alex scheint es nicht zu glauben, und ehrlich gesagt tue ich es auch nicht. Irgendetwas brodelt bei uns beiden unter der Oberfläche. Ich habe nur noch nicht herausbekommen können, was es tatsächlich ist.
„ Was erwartest du denn? Eine riesige Szene mit Haargeraufe, ewigen Vorwürfen und gekränkten Schimpftiraden?“
Er lächelt leicht – eine Vorstufe seines umwerfenden Lächelns. „So etwas in der Art.“
„ Ist nicht mein Ding.“ So, dann wäre das auch klargestellt.
„ Du bist merkwürdig, weißt du das.“
„ Ja“, grinse ich leicht zurück, „aber was genau meinst du jetzt?“
Nun sieht er mich seltsam an und scheint sich seine Antwort genauer zu überlegen. „Ich weiß bei dir einfach nicht, was du willst.“ Oha, wir nähern uns dem eigentlichen Thema. „Ich meine, ist da etwas zwischen dir und mir?“
Herrje – so ein Gespräch.
„ Nein. Ich habe doch gesagt, es gibt kein Exklusivrecht.“ Okay, das tut jetzt unerwartet weh, aber ich habe keine Lust weiter zu gehen. Tue ihm weh, um ihn zu retten , klingt es in meinem Kopf. „Hättest du den Film gestern mit mir gesehen, wüsstest du, wovon ich spreche.“
Er will schnell etwas sagen, hält sich dann jedoch zurück. „Wieso habe ich das Gefühl, dass du dir verbietest, dich in jemanden zu verlieben?“
Autsch! Ich lache dennoch auf. Immer schön lächeln.
„ Wie kommst du denn darauf?“
Wieso sieht er mich so an, als ob alles klar wäre. „Es scheint mir so.“
Wir schweigen eine Weile, bis ich wieder ansetze. „Und mit ‚jemanden‘ meinst du dich.“
Er grinst breit. „Zum Beispiel. Was spräche denn dagegen?“
Meine Finger verkrampfen sich leicht um das Buch, das eigentlich achtlos auf meinem Schoß liegen sollte. Ich könnte ihm jetzt befehlen, sich einfach zu verabschieden, doch irgendetwas hält mich zurück.
„ Oh, eine ganze Menge Gründe. Aber keine, die du nachvollziehen könntest.“
Er mustert mich eine Weile, dann fragt er beinahe einfühlsam. „Kannst oder willst du nicht?“
Das hat mich noch nie jemand gefragt und die Antwort ist schneller heraus, als ich sie festhalten kann: „Ich kann mich nicht verlieben.“ Jetzt, wo es einmal gesagt ist, stelle ich fest, dass sich das ganz, ganz falsch anhört.
Er sieht mich irritiert an. „Du kannst dich nicht verlieben? Das ist schrecklich.“
„ Nein, schrecklich ist, auf der Straße zu leben …“ Moment mal, den Dialog kenne ich doch. Nur dass nicht Christian vor mir steht, sondern Alex mir gegenübersitzt.
Irritiert starre ich ihn an. Er kann ein Grinsen nur sehr schlecht unterdrücken. Ja, das macht mich jetzt absolut aggressiv.
„ Wenn du jetzt anfängst, alberne Lovesongs zu zitieren, dann werde ich dir das Genick brechen“, knurre ich und er springt natürlich darauf an.
„ Love lifts us up, where we belong …“
Okay, er hat den Film doch gesehen – meine Sinne haben mich nicht getäuscht. Geräuschvoll knirsche ich mit den Zähnen.
„ Was würdest du denn tun, wenn dir jemand seine Liebe gesteht?“, bohrt er nach. „Mir tatsächlich das Genick brechen und dann meine Leiche im Meer versenken?“
Nun ja, das kommt
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