Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
herausgefordert, einen Striptease hinzulegen“, murmele ich halb abwesend.
„ Ich bin nicht Ben.“ Seine Stimme wird sachlich.
Ups – Fettnapf.
Wir schweigen eine Weile, dann setze ich fort: „Das weiß ich und es ist mir angenehm, so wie es ist.“
Er scheint versöhnt und wir schlendern weiter, denn wir haben noch Zeit bis zum Vorstellungsbeginn.
„ Ben hat einen tiefen Eindruck bei dir hinterlassen, stimmt’s?“ Seine Stimme ist ruhig und doch schwingt etwas Verständnisvolles darin mit.
Auf dem oberen Ende der Treppe zum Foyer bleiben wir stehen und sehen hinunter.
„ Es wird eine Weile dauern, bis du darüber hinweg bist. Aber es wird irgendwann nur eine dunkle Vergangenheit sein.“ Er drückt meine Hand sanft und ich wechsele abrupt das Thema.
„ Ich habe keins“, sage ich leise und er blinzelt.
„ Wie bitte?“
„ Ich habe kein Tattoo. Das ist es doch, was dir im Kopf herumgeht, oder?“
Zugegeben, es ist ein scharfer Themenwechsel, aber ich will jetzt nicht über meine Gefühle für Ben sprechen. Oder über das, was er in mir ausgelöst hat. „Ich habe darüber nachgedacht, das gebe ich gerne zu.“ Er sieht mich schweigend an.
„ Und? Enttäuscht?“ Ich grinse.
„ Nein“, gibt er sachlich zurück. „Ich habe gelernt, dass ich bei dir auf alles vorbereitet sein sollte.“ Aha.
„ Was soll das denn heißen?“ Gespielt gekränkt betrachte ich ihn.
„ Nur dass es bei und mit dir nicht langweilig wird. Das ist zumindest mein Eindruck bisher.“
Besänftigt nicke ich. „Da kann ich zustimmen.“
„ Dann sind wir uns ja einig.“ Einige Moment betrachten wir das bunte Treiben unter uns. „Wenn du jetzt nicht über das Erlebte und Ben sprechen möchtest, kann ich das verstehen. Aber irgendwann solltest du es tun.“
Ich drehe mich zu ihm um und unsere Blicke treffen sich. Stumm kommunizieren unsere Seelen miteinander und ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was er mir sagen will.
Sein Mund sagt: „Wollen wir gehen?“
Ich nicke und gemeinsam schreiten wir die Treppe hinunter.
„ Wie kamst du eigentlich darauf, mich zu dieser Gala einzuladen?“, kommt mir plötzlich in den Sinn und ich sehe ihn an.
„ Ich weiß auch nicht so genau. Es schien mir passender als das Kabarett.“ Ich nicke. „Außerdem kann ich mir vorstellen, dass dir so etwas gefallen wird.“ Aha.
„ Ich war noch nie in einem Musical“, gebe ich zu. „Ich meine, eine kurze Story, die mit Gesang unterlegt ist, klingt doch eher nach Disneyfilm.“ Erstaunt schaut er mich an. „Bisher konnte ich mich davor immer erfolgreich drücken.“
Jetzt lacht er und ich fahre im Brustton der Überzeugung fort: „Es ist fast so wie mit Pastellfarben.“
Sein Gesicht überzieht eine Mischung aus Amüsement und Ungläubigkeit. „Pastellfarben?“
„ Ja.“ Zur Bekräftigung meiner Worte führe ich weiter aus: „Menschen in Pastellfarben sehen immer irgendwie unscheinbar aus, findest du nicht?“
„ Sagt die Frau, die zu Silvester ein Kleid in Mintgrün getragen hat – und das aus Überzeugung.“
Neckend versuche ich ihm einen Klaps zu versetzen, doch er fängt meine Hand spielerisch ab.
„ Das war etwas ganz anderes.“
Er grinst wie ein Schuljunge. „Selbstverständlich.“
„ Du … du …“, beginne ich, doch er zieht mich erneut an sich.
„ Ich habe das Kleid vorgeschlagen, das weiß ich. Aber da kannte ich deine Abneigung gegenüber dieser Farbkombination noch nicht.“
Sein Geruch schlägt über mir zusammen und mein Widerstand schmilzt dahin wie ein Vanillesorbet im prallen Sonnenschein. Lange sieht er mich an und dann ist der Moment gekommen, in dem ich das Gefühl habe, mich in seinen Augen zu verlieren. Ooooohhhhh.
„ Ein Musical ist also nicht mit einem Disneyfilm zu vergleichen?“ Meine Stimme krächzt heiser und ich schlucke schwer.
Er lächelt mich an und die Magie des Moments bleibt in seinen Augen stehen. Sie mischt sich mit dem Lächeln, das er jetzt aufsetzt. „Oh Christa, weit gefehlt.“ Hä? „Ein Musical ist keine stumpfsinnige Kurzgeschichte mit albernen Gesängen. Manche gehen sogar sehr tief.“
„ Aha.“ Ich bin nicht überzeugt.
„ Wenn man es genau nimmt, dann ist Moulin Rouge auch ein Musical.“ Jetzt fährt er aber die schweren Geschütze auf. Mein finsterer Blick trifft ihn und er muss wieder lachen. „Sieh mich nicht so an.“
„ Sakrileg!“ Sowohl mein Blick als auch mein Ton lassen mehrere Deutungen zu. Sein Lachen ist nun
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