Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
wirklich herzlich.
„ Du bist tatsächlich ein Original, Christa. Da glaubt man dich durchschaut zu haben und du kommst mit einer Facette deines Wesens, die alles wieder umwirft.“
Ich setze eine hochmütige Miene auf. „Ja, etwas muss man sich bewahren.“
Langsam sind wir auf Deck 2 angekommen. Sein Gesicht ist immer noch amüsiert. Das Lachen hat kleine Grübchen hineingemalt, die ihm tatsächlich sehr gut stehen.
„ Vertraust du mir?“
Eine schwerwiegende Frage. Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Er wartet und als ich nicht antworte, schränkt er seine Frage ein. „Vertraust du mir in der Hinsicht, dass ich vielleicht einschätzen kann, dass dir der Abend gut gefallen wird?“
Na gut, über diese Brücke kann ich wohl gehen. „Ich denke schon.“
Er nimmt meine Hand. „Gut, dann lass dir gesagt sein, dass dein Moulin Rouge auch gut auf eine echte Bühne passen und doch nichts von seiner Faszination verlieren würde.“
Lange sieht er mich an und in mir steigt nur eine passende Antwort darauf hoch. Mein Blick verengt sich: „Judas.“
Er grinst und entgegnet: „… war ein Mann mit Prinzipien.“
Ich ergebe mich in mein Schicksal und gebe einen resignierten Laut von mir. „Also schön, du hast gewonnen.“
Wir haben den Eingang des Theaters erreicht und ich lasse mich hineinführen. Der Boden ist auch hier mit einem dicken roten Teppich ausgelegt, den ein leichtes Goldmuster durchzieht. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich jedoch, dass er nicht identisch ist mit dem im Illuminations. Auch die Sitze sind hier aus dicken, roten Polstern und sehr bequem.
Alex geleitet mich immer weiter hinunter bis nahe an die Bühne heran, die ins Publikum ausläuft. Frontal dazu sitzen wir in der dritten Reihe. Plätze in der besten Lage.
„ Das hat dich bestimmt etwas gekostet, oder?“ Die Bemerkung ist halb überrascht, halb erstaunt gemeint, doch er nimmt sie auf.
„ Ja, um dich zu überzeugen ist mir nichts zu teuer.“
Ich schenke ihm einen amüsierten Seitenblick. „Diese Angewohnheit könnte dich schnell sehr viel Geld kosten.“
„ Das ist es mir wert.“ Aha, man bekennt Farbe.
„ Ich werde mir Mühe geben, dich nicht zu enttäuschen“, erwidere ich.
„ Davon gehe ich aus. Außerdem kannst du mich gar nicht enttäuschen, solange du so bist, wie du bist.“ Mann, Mann, Mann – das sind ja mal Worte.
„ Ich glaube nicht, dass du das wirklich willst.“ Meine Stimmung kippt nur ganz kurz, dann ist sie wieder bestens.
„ Lass mich das doch entscheiden.“ Okay …
„ Ich habe dich gewarnt.“
Für einen Moment werden wir beide ernst.
„ Was glaubst du denn, was passieren würde, wenn ich dich besser kennen lerne?“, raunt er mir leise zu, während er mich auf meinen Platz führt.
„ Ganz ehrlich?“
Er nickt und ich spreche die traurige Wahrheit aus. „Du würdest mich hassen, bestenfalls verachten.“
Ernst sieht er mich an. „Lass es uns einfach herausfinden?“
Wir setzen uns und der Saal füllt sich langsam, aber stetig. Ich kann das nicht so stehen lassen und drehe mich noch einmal zu ihm um. Meine Augen begegnen den seinen.
„ Alex, du verstehst nicht. Ich … ich kann nicht.“ Was für eine Kapitulation – verdammt nochmal. Ich muss es tatsächlich beenden, bevor noch etwas geschieht.
Vorsichtig nimmt er meine Hand und drückt sie sanft. „Mach dir darüber jetzt keine Gedanken. Wir hatten doch beschlossen, es einfach auszuprobieren. Egal, wie es ausgeht.“ Ich nicke und meine es nach wie vor ernst. „Na also. Genieß doch einfach den Abend. Du siehst übrigens hinreißend aus.“
Wie schnell er das Thema wechselt und unser Gespräch wieder zurück in seichte Gewässer bringt, bedarf tatsächlich meiner Anerkennung.
„ Ich passe mich nur an“, witzele ich und er lächelt.
„ Siehst du, es ist ganz einfach. Das ist die Christa, die ich sehen möchte. Die Echte .“ Was soll das denn jetzt heißen? „Alles andere hat hier und heute keinen Platz.“
Beinahe bin ich gewillt eine Grundsatzdiskussion anzufangen, doch in dem Moment dimmt man im Saal die Lichter. Die Gespräche um uns herum werden eingestellt und ein einzelner Spot richtet sich auf die Bühne.
Ein Mann im Frack kommt durch den Vorhang.
„ Guten Abend, Ladies und Gentlemen“, begrüßt er das Publikum mit einer unterwürfigen Geste. Seine Stimme wird anscheinend durch ein Mikrofon verstärkt, denn man hört ihn überall im Saal. „Willkommen in der Welt des Musicals.“
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