Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
„Für diese Verbrecher vom Roomservice sind unsere armen kleinen Hunde doch ein gefundenes Fressen.“ Mr. Brown zieht eine Augenbraue hoch. „Verstehen Sie. Die brauchen einfach nur eine läufige Hündin mit an Bord zu nehmen und schon kommen sie kostenlos an die besten Stammbäume heran.“ Was für eine Idee. Beinahe hätte ich laut aufgelacht, doch Mrs. Summerstone fährt ungerührt weiter fort: „Mein Chester ist ein preisgekrönter Jack Russell Terrier mit einer sehr langen und vor allem makellosen Stammbaum.“ Triumph lag nun in ihrer Stimme. „Stellen Sie sich nur vor, was seine Welpen für einen Marktwert haben.“
Mr. Brown sieht sie für einen Moment tatsächlich interessiert an. „Aber wie sollen die Täter denn nachweisen, dass es sich um Welpen von Ihrem Chester handelt?“
Sie winkt ab. „Ach, das ist doch ganz einfach. In meinem Safe liegen seine Papiere. Wie schnell hat man die sich nicht ‚ausgeliehen’“, sie betont das Wort bedeutungsvoll, „kopiert und dann zurückgelegt.“
Mr. Brown stutzt. „Aber dann müsste das Personal ja den Sicherheitscode für Ihren Safe kennen, Teuerste.“
Auch dieses Argument bringt Mrs. Summerstone nicht aus der Fassung. „Selbstverständlich kennen sie diesen. Es ist ja nicht so, dass der nirgends hinterlegt ist, nicht wahr.“
Jetzt muss ich mich einfach einmischen. „Finden Sie nicht, dass dies ein wenig übertrieben oder zu viel Aufwand ist, um an den Stammbaum heranzukommen?“
Nachsichtig lächelt sie mich an. „Mein liebes Kind“, beginnt sie und mir richten sich die Nackenhaare auf. „Sie sind noch so jung und unerfahren mit den Tücken und Grausamkeiten der Welt. Also mache ich Ihnen keinen Vorwurf zu Ihrer naiven Meinung.“
Bei diesen Worten lächelt sie so gönnerhaft, dass in mir erneut kalte Wut hochsteigt, und ich beginne innerlich von 50 an rückwärts zu zählen. „Ich züchte nun seit so vielen Jahren meine Hunde und jeder Wurf ist preisgekrönt“, fährt sie unbeirrt fort. Selbstverständlich. Wie sollte es auch anders sein? Ein starres Lächeln aufsetzend, sehe ich sie unschuldig an. „Sie glauben ja gar nicht, was für miese Tricks in dieser Branche vorherrschen.“
In Gedanken setze ich ein „Ich hingegen weiß, wovon ich spreche. Ich habe sie alle schon ausprobiert“ hinzu.
„ Aber Sie haben doch Tricks gar nicht nötig, Teuerste.“ Mr. Brown greift nach ihrer Hand und drückt gekünstelt einen Handkuss darauf.
Mrs. Summerstone zwinkert ihm kokett zu und ich bin wieder aus ihrer Unterhaltung ausgeschlossen.
„ Ich habe extra eine Versicherung für ihn abgeschlossen, sollte ihm etwas passieren auf diesem Schiff.“ Sie zieht sich zurück und greift ihrerseits nach einer Sektflöte. „Wie spät ist es denn jetzt? Der arme Junge ist wirklich nicht gerne allein.“ Energisch winkt sie eine der jüngeren Frauen hinter ihr zu sich. „Constanze, gehen Sie und schauen Sie nach Chester. Wenn es ihm nicht gut geht, dann geben Sie ihm zehn Tropfen aus meiner Hausapotheke. Aber verwechseln Sie die nicht mit meinen homöopathischen Lebensrettern.“
Die junge Frau macht einen Knicks und will sich entfernen. Dabei wird sie aber von Mrs. Summerstone erneut zurückgerufen. „Achten Sie darauf, dass er nur das Evian Wasser trinkt und nichts anderes.“
„ Selbstverständlich, Madam.“ In ihrem Kopf erscheint für einen Moment das Bild, wie sie einfach den Wasserhahn für Chester aufdreht und besagtes Wasser selber trinkt. Eine durchaus vernünftige Einstellung, die sie mir absolut sympathisch macht.
„ Ach, es ist ja so schwer, heutzutage vernünftiges Personal zu finden“, seufzt Mrs. Summerstone affektiert und ich weiß ganz genau, dass Constanze es gehört haben muss. Sie reagiert aber nicht darauf, sondern verlässt einfach nur zügig den Salon.
„ Da gebe ich Ihnen vollkommen recht.“ Collin Fearweather, der zu meiner Linken und damit zwischen dem Duo Infernale und mir Platz genommen hat, meldet sich zu Wort und strahlt die alte Dame an. „Genauso schwierig, wie einen zuverlässigen Sponsor für den Film zu finden.“ Nun seufzt er vielsagend. „Aber das ist das Los der Künstler.“
„ Da haben Sie absolut recht“, pflichtet Jessica ihm bei und steht auf. Anscheinend ist sie die Nichtbeachtung seitens ihrer Mutter leid und will nun auf andere Weise Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mit einer unheilvollen Ahnung beobachte ich ihre Schritte hin zu Klavier. Sie sieht sich um, steckt dem herbeieilenden
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