Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
weiter verwundert. Melody jedoch sieht verwirrt aus und weiß nun nicht mehr weiter.
Ich stutze für einen Moment. Ist Christopher der Fanatiker und sie diejenige, die ihm alles nachplappert? Das erscheint mir merkwürdig, doch ich bin zu sehr in Fahrt, um mich weiter darüber zu wundern. Außerdem ist das deren Problem und nicht meins. Um den Anschein einer Demutsgeste zu erwecken, beuge ich den Kopf in einer jahrelang antrainierten Geste und raune ihr dabei so leise etwas zu, dass ich sicher sein kann, dass nur sie es tatsächlich versteht: „Fürchte dich vor der Dunkelheit, meine kleine Sünderin; denn dort werde ich auf dich warten – und ich bin geduldig.“
Da ich meinen Worten durch meine geistigen Kräfte Nachdruck verleihe, erhöht sich deren Eindruck merklich und sie fährt gepeinigt zusammen. Ich lasse von ihr ab und ziehe mich sowohl körperlich als auch geistig zurück.
Alex steht nun neben mir und sieht ungläubig auf Melody hinunter. „Ich denke, Sie haben sich im Ton vergriffen, Miss“, erklärt er ihr gegenüber fest. „Sollte Miss Ashton dies wünschen, werde ich ihr in dieser Sache juristisch zur Seite stehen.“
Überrascht sehe ich ihn an, reagiere jedoch nicht weiter. „Des Weiteren haben Sie meinen Dienstherrn und guten Freund Lord Benjamin Woodenbrock Esquire ebenfalls empfindlich beleidigt und ich werde auch diesen vertreten, sollte er Genugtuung von Ihnen verlangen. Guten Tag Miss.“
Er reicht mir seinen Arm und ich hake mich bei ihm ein.
„ Sir.“ Mit einem letzten Gruß wendet er auch Christopher das Gesicht zu und wir verlassen die völlig am Boden zerstörten Eheleute mit erhobenem Kopf.
21. Sondierung
Keine halbe Stunde später sitzen Alex und ich gemütlich an einem Zweiertisch im Queens Grill Restaurant und plaudern. Das grüne Kleid haben wir kurzerhand gekauft, nachdem es ebenfalls fantastisch an mir aussah. Unser Tisch ist direkt an der Außenwand, so dass man durch ein Panoramafenster nur die dunkle Nacht erkennen kann. Vor uns stehen die Reste eines hervorragenden Abendessens, so zumindest Alex’ Meinung. Für mich macht es fast keinen Unterschied, zudem habe ich bereits die Schilder erspäht, die mir den Weg zur Toilette zeigen, und ich bin beruhigt.
Da das Queens Grill, ebenso wie das gegenüberliegende Princess Grill, einzig Gästen aus den höheren Zimmerkategorien vorbehalten ist und wir uns über unsere Bordkarten ausweisen mussten, ist Alex nun bekannt, dass ich ebenfalls auf Deck 9 wohne. Er hat jedoch Diskretion versprochen und ich traue ihm da soweit. Auch hat er im letzten Geschäft veranlasst, dass mir die neu gekauften Artikel auf meine Suite gebracht werden, so dass wir nun von Einkaufstüten gänzlich unbeschwert sind.
Unser Gespräch dreht sich anfangs um den hinter uns liegenden Einkauf, und noch einmal danke ich Alex für seine Großzügigkeit.
„ Nichts zu danken, Miss Ashton.“
„ Doch, doch, Mr. von Hohenau. Sie waren eine große Hilfe.“ Er winkt ab, doch ich beharre weiter darauf. „An dieses frühlingshafte Mintgrün hätte ich mich nicht herangetraut“, gestehe ich leicht errötend.
„ Warum denn, Sie sehen bezaubernd darin aus, und vergessen Sie nicht, dass es für die morgige Silvestergala gedacht ist.“
„ Wie könnte ich das?“ Dieses Mal fällt mein Lächeln etwas lahm aus und für einen Moment schweigen wir beide.
Just in diesem Augenblick kommt ein Kellner dazu und erkundigt sich nach etwaigen Dessertwünschen.
Alex wirft mir einen fragenden Blick zu. „Sollen wir?“
Ich zucke mit den Achseln. „Warum nicht?“
„ Was können Sie denn empfehlen?“ Diese Frage geht an den Kellner, der uns unverzüglich die Crêpe Suzette auf Beerenspiegel empfiehlt. Dazu würde er entweder einen Eiswein oder einen trockenen Sherry reichen – je nach Belieben. Alex bestellt den Eiswein und der Kellner räumt unsere Teller ab.
Das Schweigen zwischen uns bleibt bestehen und da ich diejenige war, die es begonnen hat, beende ich es auch mit einem Themenwechsel: „Sie haben einen sehr erlesenen Geschmack und ein gutes Auge für das Maß der Dinge, wenn ich das bemerken darf.“
Er lächelt. „Danke.“
„ Darf ich Sie fragen, woher das kommt?“, wage ich einen Vorstoß und sein Lächeln gefriert ein wenig.
„ Ich würde es Erfahrung nennen“, beginnt er vorsichtig.
„ Inwiefern?“
Er räuspert sich und scheint um eine Antwort verlegen.
Schnell lenke ich ein: „Wenn Ihnen das zu persönlich
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