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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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erkundige ich mich und er schaut mich direkt an.
    „ Wie sagten Sie doch so schön: mitnichten. Es kommt mir sogar sehr entgegen.“ Er hebt sein Glas und prostet mit zu. Automatisch hebe ich meins ebenfalls und bin nach wie vor irritiert. „Es ist mir eine liebenswerte Pflicht geworden, etwas über meine Mandanten zu erfahren, und außerdem bin ich neugierig.“
    Ich setze das Glas ab. „Ihre Mandanten?“, erkundige ich mich.
    Er nickt. „Ich sagte doch, ich würde Sie juristisch beraten, wenn Sie gegen diese Beleidigungen vorgehen wollen. Also sind Sie jetzt meine Mandantin.“
    Ich lache auf. „Sie haben das ernst gemeint? Für mich ist diese Sache längst vergessen.“ Ich greife nach dem Weinglas und will es gerade zum Mund führen, als er nur ein einziges Wort antwortet.
    „ Todernst.“
    Ich halte inne und schaue ihn ungläubig an. Er erträgt meinen Blick.
    „ Warum wollen Sie das tun?“
    Etwas liegt in seinem Blick. Neugier? Faszination? Es ist schwer zu greifen. Ich beschließe, das Glas wieder abzusetzen, und warte auf seine Antwort.
    „ Die Dame hat Sie schwer beleidigt – und Lord Woodenbrock ebenfalls.“ Aha, jetzt ist es also wieder Lord Woodenbrock.
    Ich beuge mich vor. „Mit Verlaub, Sir. Weder Melody noch ihr Mann Christopher können mich beleidigen. Dazu fehlt ihnen einfach die Klasse.“
    Verdutzt sieht er mich an. „Sie kennen die beiden?“ Wahrscheinlich kommt er sich gerade sehr dumm vor. „Ja, jetzt erinnere ich mich. Sie waren mit ihnen zusammen auf dem Außendeck, als das Schiff ablegte.“
    Eine Spur von Verwirrung und Unglaube breitet sich auf seinem Gesicht aus.
    „ Kennen ist zu viel gesagt“, lenke ich daher ein. „Ich habe sie am Tag unserer Abreise zum ersten Mal gesehen. Vielmehr habe ich das Ehepaar Fröhlich kennen gelernt, als ich ihnen dabei half, die für sie bestimmte Kabine zu finden.“
    „ Und die beiden jungen Leute …?“
    „ Sie sind Enkel der Fröhlichs. Also, sie ist deren Enkelin und er ist ihr Ehemann, wenn ich mich recht erinnere.“
    „ Aha.“ Es arbeitet hinter seiner Stirn.
    … und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann hat mir der Gesichtsausdruck, mit dem Christopher mich im Geschäft angesehen hat, so überhaupt nicht gefallen. Einen Moment tritt Schweigen zwischen uns und ein unheimliches, fast mulmiges Gefühl beschleicht mich. Im Geschäft habe ich mich auf Melody konzentriert, was mir aus der Situation heraus sinnvoll erschien. Jetzt, wenn ich die Szene vor meinem inneren Auge erneut betrachte, ist da etwas. Etwas Unheilvolles, Bedrohliches, das unter der Szene mitschwang und mehr von meinen Instinkten registriert wurde, als von mir selbst.
    Vielleicht ist es besser, mich erst einmal von den beiden fernzuhalten. Diese Überlegung trifft auf Zufriedenheit in meinem Inneren und wieder kann ich mir nicht erklären, warum. Dieses Schiff hat überhaupt eine merkwürdige Wirkung auf mich, stelle ich mit zunehmender Bestürzung fest. Zum Beispiel plaudere ich derzeit ohne Netz und doppelten Boden, beinahe vertraulich, mit einem an sich völlig Unbekannten.
    Bevor ich diesen Gedanken in seiner Tragweite ausgelotet habe, fährt Alex mit unserem Gespräch fort: „Und wie kommen diese beiden auf die Ideen, die sie so vehement vertreten haben?“ Sein Ton ist sachlich, aber irgendwie kommt mir gerade das jetzt verdächtig vor.
    „ Welche meinen Sie konkret?“
    Er schürzt kurz die Lippen. „Vornehmlich diejenige, dass Sie und Seine Lordschaft eine erotische Beziehung führen … um das mal neutral auszudrücken.“ Was für eine Ausdrucksweise! Dennoch zucke ich mit den Achseln.
    „ Ich denke, es war das rote Kleid. Ihrer Meinung nach ist solch ein Geschenk wohl ein Zeichen für … Beischlaf.“ Ich bin fast ein bisschen stolz auf mich, diese Ausdrucksweise ohne ein Stolpern über die Lippen gebracht zu haben. Aber was du kannst …
    Alex verzieht kurz eine Miene und ich stimme ihm mit einer entsprechenden Geste zu.
    „ Das hat sie Ihnen so gesagt?“
    „ Sagen wir, sie hat es angedeutet.“ Okay, das ist untertrieben, denn ihr genauer Wortlaut war „Immerhin verkaufe ich mich nicht an einen Mann, den ich nicht kenne“ gewesen. In dieser Hinsicht habe ich ein erstaunlich gutes Gedächtnis.
    „ Angedeutet?“ Eine Augenbraue rutscht hoch und ich kann die brennenden Fragen hinter seiner Stirn beinahe sehen. Als ich nicht antworte fügt er hinzu: „Ich bewundere Ihr Feingefühl, Miss Ashton, denke aber, dass es in diesem Fall nicht

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