Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
der Stadt gewesen war, ohne ihm vorher Bescheid zu sagen. Er war wirklich außer sich. Tricia und ich hatten vor langer Zeit vereinbart, dass, wenn so etwas geschehen würde, wir einkaufen gewesen waren, für sie. Mein Vater wollte davon nichts hören. Er warf Tricia vor die Tür und prophezeite ihr, dass sie mich nie wiedersehen würde. Ich weinte und schrie meinen Vater an. Warum, wollte ich wissen. Warum durfte ich sie nicht wiedersehen? Zwei schallende Ohrfeigen brachten mich zum Schweigen.
Ich sah ihn ungläubig an. Er hatte mich noch nie geschlagen. Mit finsterer Miene und wissendem Blick sagte er meinen Lieblingssatz: „Christina Justicia Dalton; egal was du tust, Christus und so auch Gott schauen immer zu.“ In diesem Moment hasste ich ihn dafür. Als einzige Verteidigung blieb mir die Weisheit von Papa Joe, einem guten Freund von Tricia, den wir das eine oder andere Mal besucht hatten. In einem Anflug aus Selbstvertrauen sagte ich ihm: „Papa, Christus ist ein sehr netter Mann, aber man sollte ihn nicht allzu ernst nehmen.“ Mein Vater starrte mich an. Sein Gesicht verlor alle Farbe und ich bekam es mit der Angst zu tun. Er spie einen ganzen Schwall von lateinischen Floskeln aus, packte mich, hielt mir sein großes Kreuz vor die Nase und zwang mich damit auf den Boden. Vor Angst und Schrecken sackte ich in mich zusammen.
Das große Kreuz füllte mein ganzes Sichtfeld aus und als ich die Augen schließen wollte, spürte ich meinen Vater, wie er mir den Kopf nach hinten in den Nacken riss. Die Stelle, an der er an meinen Haaren zog, brannte wie Feuer und ich konnte vor Schmerzen die Augen nicht schließen. Er schrie mich an, mit der einen Hand meinen Kopf an den Haaren ziehend, mit der anderen Hand mir das Kreuz vors Gesicht haltend. Die Christusfigur berührte fast mein Gesicht. Vater sprach nun sehr leise und bedrohlich. Er fragte, ob ich es bereuen würde, Christus derart beleidigt zu haben mit meiner blasphemischen Äußerung. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und schluchzte nur leise vor mich hin. Der Druck auf meinen Kopf wurde stärker und der Schmerz größer. „Bereust du? Bereust du?“, schrie er und ich antwortete ihm. Oh ja, ich bereute es. Ich bereute alles. Alles was er wollte.
Ich schrie es unter Tränen heraus. Aug in Aug mit der mich bedrohlich anstarrenden Christusfigur. Ich schrie vor Angst alles hinaus, was ich wusste. Vater ließ mich langsam los und sagte mit versöhnlicher, leiser Stimme, dass ich ihm alles sagen konnte, denn wenn er es wüsste, würde Gott mir vergeben. Ich hatte solche Angst, dass ich ihm alles sagte, was Tricia und ich getan und erlebt hatten. Auch von Papa Joe erzählte ich ihm. Als ich fertig war, ließ er mich das Kreuz küssen und segnete mich. Ich fühlte mich elend. Vater schickte mich ins Bett. Mein Zimmer war erstaunlich leer bis auf das Bett und das Kreuz über der Tür ...
Um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren klammere ich mich an das Nächstbeste, was mir in die Finger kommt. Es stellt sich als Alex’ Arm heraus.
„ Geht es Ihnen gut?“, erkundigt er sich und ich erwidere durch zusammengebissene Zähne: „Nur ein kleiner Anfall … fiese Kopfschmerzen … ist gleich wieder vorbei.“
Er stützt mich kurz und sieht mich besorgt an. „Brauchen Sie einen Arzt?“
„ Nein, danke. Es geht schon wieder.“
Und tatsächlich: Die Erinnerung dauert nur Bruchteile von Sekunden und dann habe ich mich wieder unter Kontrolle. Dennoch wühlt sie etwas tief in mir auf und ich spüre, dass sie einige der versteckten Sicherungen unaufhaltsam aus ihrer Verankerung gerissen hat. Das ist so was von überhaupt nicht gut.
Langsam, dann immer schneller bewege ich mich in die Richtung der beiden, die anscheinend noch nicht bemerkt haben, dass ich wiederum sie bemerkt habe. Sie sprechen kurz über das Kleid und ich denke schon, dass es ausgestanden ist. Mein Zeichen umzukehren und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Doch da nimmt Melody den Faden wieder auf:
„ Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sie mit beiden ins Bett geht. Womöglich noch gleichzeitig“, giftet Melody.
„ Ich bitte dich, sprich doch leiser“, versucht Christopher sie zu beschwichtigen, jedoch ohne Erfolg.
„ Wozu? So einer ist doch alles zuzutrauen. Der arme Mann steckt sein sauer verdientes Geld in eine solche Person, ohne zu merken, was für einen Abschaum er sich da ins Bett holt.“
Alex ist mir gefolgt und hat Melodys Rede wohl sehr gut
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