Nachte des Sturms
Arbeit irgendetwas gemeinsam hätten. »Ich nehme an, da hast du Recht. Ich werde den Entwurf so sorgfältig wie möglich gestalten. Egal, ob dieser Magee sich ihn ansieht oder nicht, bin ich dir dafür dankbar, dass du daran gedacht hast, ihn ihm auch nur zu zeigen.«
Sie trocknete noch die Teller ab, danach erklärte sie, sie müsste gehen, da es inzwischen beinahe Mitternacht war.
Er brachte sie zur Tür, und sie hatte es beinahe bis in den Hof hinaus geschafft, als er es sich anders überlegte, sie sich über die Schulter warf und abermals ins Schlafzimmer schleppte.
Schließlich war es beinahe halb zwei, als sie zu Hause durch die Tür schlich. Mehr als schleichen hätte sie beim besten Willen auch nicht mehr geschafft. Wer hätte gedacht, dass der Mann sie an den Rand der Erschöpfung treiben könnte?
Sie schaltete das Licht aus, das ihre Mutter für sie hatte brennen lassen, doch selbst im Dunkeln wusste sie genau, welche Stufen der Holztreppe unter ihren Schritten knarrten, sodass sie ohne das leiseste Geräusch bis nach oben in ihr Zimmer kam.
Da sie keine Kinder hatte, war ihr natürlich nicht bewusst, dass ihre Mutter jeden ihrer Schritte trotzdem ganz genau verfolgte.
Als sie endlich im Bett lag, schloss sie seufzend ihre Augen, schlief auf der Stelle ein und träumte von einem silbrigen Palast unter einem grünen Hügel.
Um den Palast herum blühten Hunderte von Blumen und wuchsen wunderbare Bäume, die im goldenen Licht der Sonne aussahen wie gemalt.
Während eines Moments war sie versucht, einen der goldenen Äpfel oder eine der silbrigen Birnen abzupflücken, die an den Bäumen hingen, herzhaft hineinzubeißen und zu probieren, ob sie so köstlich waren, wie sie aussahen. Doch obwohl sie träumte, wusste sie genau, dass man im Feenland nichts essen und höchstens Wasser trinken durfte, wollte man nicht für hundert Jahre dort bleiben.
Und so sah sie die juwelengleich glitzernden Früchte nur begehrlich an.
Der Pfad, der unter den Bäumen von der weißen Brücke in Richtung der breiten, silbernen Eingangstür des Schlosses verlief, war rot wie eine Kette aus Rubinen.
Als sie vor die Tür trat, wurde diese wie von Geisterhand geöffnet und Pfeifen- und Flötenklänge drangen an ihr Ohr.
Sie folgte der Musik, erklomm die Treppe und legte dabei ihre Hand auf das seidig weiche Geländer, das glitzerte wie ein langer, gewundener Saphir.
Am oberen Ende der Treppe gab es einen zweiten langen Gang. Zu ihrer Linken war eine Tür ganz aus Topas, zu ihrer Rechten eine aus Smaragd und unmittelbar vor ihr eine, deren Oberfläche schimmerte wie eine samtig glatte Perle.
Durch diese Tür drang die Musik.
Sie drückte auf die Klinke und betrat den Raum.
Zu ihren Füßen fand sich ein Mosaik, eine Symphonie aus schillernden Juwelen, die ohne ein bestimmtes Muster dort verstreut waren.
Es gab Sessel, Kissen und gepolsterte Sofas, doch sie alle waren leer. Alle bis auf den Thron am Kopfende des Raums. Dort saß ein Mann in einem Wams aus strahlend hellem Silber.
»Du hast nicht gezögert«, sagte er zu ihr. »Das ist ein Zeichen deines Muts. Ohne auch nur einmal daran zu denken, wieder umzudrehen, bist du geradewegs hierher gekommen, an einen völlig unbekannten Ort.«
Er bedachte sie mit einem Lächeln, winkte mit der Hand und zeigte ihr den goldenen Apfel, der plötzlich darin lag. »Vielleicht findest du hieran Geschmack.«
»Vielleicht, aber ich kann keine hundert Jahre für dich erübrigen.«
Lachend schnippte er mit seinen Fingern und ließ den Apfel verschwinden. »Ich hätte dich sowieso nicht hier behalten wollen, denn oben bist du mir viel nützlicher.«
Neugierig sah sie sich um. »Bist du allein?«
»Nein. Aber selbst Feen brauchen ihren Schlaf. Das Licht sollte dich führen. Im Grunde ist hier unten ebenso Nacht wie oben in deiner eigenen Welt. Aber ich wollte mit dir sprechen, und zwar möglichst allein.«
»Tja, dann.« Sie hob ihre Arme und ließ sie wieder sinken. »Scheint, als wären wir allein.«
»Ich möchte dir eine wichtige Frage stellen, Mary Brenna O’Toole.«
»Ich werde versuchen, sie dir zu beantworten, Carrick, Prinz der Feen.«
Wieder verzog er den Mund zu einem beifälligen Lächeln, doch seine Augen blieben ernst. »Würdest du von deinem Geliebten eine Perle annehmen?«
Seltsame Frage, dachte sie. Aber schließlich befand sie sich in einem Traum und hatte in ihren Träumen schon Seltsameres erlebt. »Wenn er sie mir aus freien Stücken gäbe,
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