Nachtengel
um ihn von den Blättern zu befreien, und verzog angeekelt das Gesicht. Etwas Kaltes hatte sie am Fußgelenk gepackt.
Sie sprang instinktiv zurück, rutschte auf dem nassen Boden aus und stürzte, denn die Hand, die unter den heruntergefallenen Blättern zum Vorschein kam, hielt sie weiterhin fest. Der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, als sie die Hand sah, eine blaue Klaue, die sie packte und nicht losließ. Sie versuchte, nach hinten wegzukriechen, sie atmete stoßweise und flach und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Als sie sich losriss, begann sich der ganze Laubhaufen zu bewegen.
Plötzlich war sie frei und krallte sich im Boden fest, versuchte, sich an die Wand zu drücken und wieder auf die Beine zu kommen, bevor das Ding unter den Blättern sie verfolgen und in die Dunkelheit zerren konnte. Regungslos vor Schreck stieß sie kurze spitze Schreie aus … Aber die Hand war erstarrt. Ihr Bein war frei, und die Hand bewegte sich nicht mehr. Fast weinend vor Entsetzen kam sie taumelnd auf die Beine. Sie konnte die Gestalt unter den Blättern erkennen, die steife Klaue ragte heraus, und als sie genauer hinsah, formten sich im Schatten des Laubhaufens Gesichtszüge, ein offen stehender Mund und Augen, die starr nach oben blickten.
Der Geruch nach Kaffee weckte Roz. Als sie aus dem Schlaf erwachte, nahm sie ein mattes Licht auf ihren geschlossenen Augen wahr, die Wärme einer um sie gewickelten Decke und den Geruch von Kaffee und Toast. Sie streckte sich, drehte sich um und öffnete die Augen. Die Vorhänge waren ein Stück zurückgezogen, um das Tageslicht hereinzulassen. Der Himmel sah grau und kalt aus. Auf der Uhr neben dem Bett war es halb neun. Sie hörte Windstöße und das Prasseln von Regen an der Scheibe, kuschelte sich wieder unter die Decke und genoss fast wie ein Kind diesen Augenblick tröstlicher Wärme. Sie lag mit geschlossenen Augen da und horchte auf die Geräusche. Eine Tür wurde ganz in der Nähe zugemacht, das Geräusch von Wasser und Klirren von Kochtöpfen. Luke setzte sich auf die Bettkante und stellte ein Tablett mit Kaffee, Toast und Orangensaft zwischen ihnen ab. Seine Haare waren noch nass von der Dusche. Er war unrasiert und hatte verquollene Augen, aber sein Lächeln war warm und freundlich. »Frühstück«, sagte er und beugte sich hinüber, um sie zu küssen.
Zu ihrer Überraschung hatte sie Hunger. Sie erinnerte sich, dass sie am Tag davor nur sehr wenig gegessen hatte, und der heiße Toast mit Butter, der starke Kaffee und der süße Orangensaft kamen ihr vor, als hätte sie nie etwas Köstlicheres gegessen. Luke nahm nicht viel zu sich, trank nur etwas Kaffee, während er ihr zusah. »Du hast großen Hunger«, sagte er nach einer Weile. »Ich bin ein miserabler Gastgeber. Da kommst du um Mitternacht in der Kälte hierher, und ich jage dich in den Regen hinaus. Und als du dann richtig gründlich durchnässt bist, hole ich dich rein und treibe es bis zur Besinnungslosigkeit mit dir.«
Roz steckte den letzten Bissen Toast in den Mund und sah ihn an. »Der zweite Teil war in Ordnung«, sagte sie und leckte die Butter von den Fingern. »Der Teil war gut, auf den Regen hätte ich allerdings verzichten können.« Sie stellte ihre Tasse ab und streckte sich. »Das Bett ist voller Krümel.«
Er goss sich noch eine Tasse Kaffee ein. »Geh duschen. Ich bring's in Ordnung.«
Bei dem Gedanken an die Kälte der Nacht war das heiße Wasser der Dusche ein herrlicher Luxus. Sie fand es in Ordnung, sich Lukes Zahnbürste zu borgen, wickelte sich in ein Handtuch und ging zum Bett, wo er in die Kissen zurückgelehnt lag und das Winterwetter beobachtete. Sie kuschelte sich neben ihn, und er legte den Arm um sie. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und schaute auf die trostlose Winterlandschaft hinaus. Ihr war warm, und sie fühlte sich entspannt. »Ich habe keine Kleider«, sagte sie. »Meine sind nass geworden.«
»Du brauchst keine.« Er lächelte sie an und drückte sie sanft aufs Bett zurück. »Hast du heute was Besseres zu tun, Bishop?«
Sie verbrachten den Vormittag im Bett, schliefen miteinander, redeten und sahen dem Regen zu, der mit unerbittlicher Beharrlichkeit fiel. Dichter, sintflutartiger Regen, wenn der Wind nachließ, und wilder Sprühregen, wenn die Windstöße wieder heftiger wurden. Sie sprachen über alle möglichen Dinge, holten alles während der Monate ihrer Distanzierung Versäumte nach, redeten über Dinge, die zuvor tabu waren. Sie erzählte ihm von
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