Nachtengel
Mühe bei der Ermittlung geben. Ich bin der perfekte Tatverdächtige, der ihnen gut in den Kram passt. Und die Fotos machen es nur noch schlimmer. Ich habe sie angelogen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Fotos gestohlen wurden. Das hat Gemma nie gemeldet.«
Roz schloss die Augen. Luke hatte Recht. Es war eine Katastrophe. »Ich verstehe das mit der Diskette immer noch nicht«, sagte sie. »Die mit den Fotos. Warum hat Gemma die Bilder eingescannt und auf die Diskette gespeichert?«
»Ich glaube, sie hat das gar nicht getan«, sagte er. »Ich glaube, das waren die einzigen Negative, die sie hatte, die gestohlen wurden.« Luke löste sich von ihr, stand auf und zog seine Jeans an, die er am Abend zuvor auf den Boden geworfen hatte. Als ob die Dinge, die er ihr sagte, wieder eine Distanz zwischen ihnen geschaffen hätten, entfernte er sich von ihr.
»Und du hast es nicht …«
»Ich habe es bis jetzt niemandem erzählt.« Er sah sie an und ahnte, was sie sagen würde. »Ich kann es nicht der Polizei sagen, Roz. Jetzt nicht. Alles auf Gemmas Computer ist doch gelöscht. Es ist nichts mehr da.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
»Woher hatte denn die Polizei die Bilder?« Roz versuchte, sich über das klar zu werden, was er ihr erzählt hatte.
»Das hab ich ja herauszufinden versucht. Sie sagten, sie hätten sie von der Internetseite einer Begleitagentur – so eine Seite, weißt du, wo man sich Frauen bestellen kann. Ich habe versucht, sie zu finden, habe ein Programm für eine Bildersuche nach einem bestimmten Bildertyp im Netz geschrieben.« Er schüttelte den Kopf, bevor sie etwas sagen konnte. »Bis jetzt habe ich nur ein paar ziemlich erstaunliche Pornoseiten gefunden.« Er sah sie an, seine Augen blitzten belustigt.
»Hast du das gerade gemacht, als …« Sie war plötzlich sehr erleichtert.
»Ach ja, Grey.« Er ging darüber hinweg, sah aber niedergeschlagen aus. »Ich habe es mehr oder weniger aufgegeben. Jemand hat sich an der Website zu schaffen gemacht, aber was wäre damit bewiesen, wenn ich die Bilder fände? Ich weiß nicht, ob es sich lohnt.«
Roz überlegte, was er ihr gesagt hatte. Sie dachte an den Freitagabend, als sie wegen des Treffens mit Marcus Holbrook länger geblieben war. Sie erinnerte sich an die große Gestalt, die sich entfernt hatte und durch die Pendeltür gegangen war. Wer immer das gewesen war, er hat sie zusammengeschlagen und dann erwürgt. Und dann hat er sie in dieser obszönen Stellung im Badezimmer eines Hotels abgelegt. Sie nahm Lukes Hand, bevor die Kälte der gestrigen Nacht sie einholen konnte.
Bei der Messe waren genauso wenige Kirchgänger wie immer anwesend. Der Priester ging den mittleren Gang des Kirchenschiffs hinunter und neigte den Kopf vor dem Altar. Das ewige Licht brannte in der Dunkelheit, das Gold des Altars schimmerte schwach im Dämmerlicht. Er ging langsam zum Seitengang hinüber, plötzlich war ihm unbehaglich, und er wollte nicht hinsehen. Er las die Inschrift am Fuß der Statue. Requiem aeternam dona eis, Domine: et lux perpetua luceat eis. »Gib ihnen ewigen Frieden, o Herr. Und möge das ewige Licht auf sie scheinen.«
Er war nicht überrascht, als er sah, dass wieder Kerzen brannten. Er hatte angefangen, darauf zu achten, und wusste nicht, ob dies ein Zeichen der Hoffnung war, ob die Kerzen für den Glauben standen, dass die Seele nach dem Tod weiterleben würde, oder ob es ein Aufschrei der Verzweiflung war, eine Bitte, dass der Besucher eines Tages mit einem geliebten Menschen, den er verloren hatte, vereint werden möge. Heute war Septuagesima, der Tag, an dem die Folgen der Sünde, körperlicher und geistiger Tod, zu bedenken sind. Vielleicht hatte der geheimnisvolle Besucher, die Person, die die Kerzen angezündet hatte, Trost aus den Worten der Messe geschöpft.
Dann bemerkte er, dass eine zusätzliche Kerze angezündet worden war. Es waren vier, nicht drei, und eine der Karten mit Bitten um Gebete war beschrieben in die Schachtel gesteckt worden. Mit wachsendem Unbehagen betrachtete er sie, konnte sich aber keinen Reim darauf machen.
Lamm Gottes, das du trägst die Sünden der Welt, gib ihr Frieden.
Hull, Sonntagvormittag
Das kalte Wetter war vorbei und hatte die klare, frostkalte Helligkeit mitgenommen, und jetzt war alles nass und grau. Nebel und die Abgase von Autos und Chemiefabriken legten sich über die Stadt, sodass die kalte Luft auf der Haut brannte.
Lynne Jordan saß beim Frühstück, das aus Obst,
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