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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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illegal eingewandert waren, Frauen in der Situation, die Lynne gerade zu überwachen begann, wie viel leichter war es dann wohl vorher gewesen, sie zu schnappen und zu töten? »Wie viele Tote hat es schon gegeben?«, fragte sie.
    »Das ist das Problem«, sagte Farnham. »Bis zu diesem Fall ist das unklar. Da wäre die Frau von der Humbermündung, die Sie gerade zu identifizieren versuchen …« Katja, ergänzte Lynne in Gedanken. »… und dann war da eine oben an der Küste bei Ravenscar.« Lynne hörte zu, als er über die Einzelheiten berichtete. Eine Frauenleiche war vor etwa zwei Monaten unter den steil abfallenden Klippen von Ravenscar gefunden worden, wo die Flut sie auf den Kiesstrand gespült hatte. Lynne überflog den Bericht und schaute die Fotos an. Die Frau war klein, ein Meter siebenundfünfzig, und dünn gewesen. Sie hatte eine Tätowierung auf der linken Hand, ein Spinnennetz, das sich wie ein Spitzenarmband um ihr Handgelenk schlang, das noch jung und dicklich aussah. An Armen und Oberschenkeln hatte sie Nadeleinstiche, die Tätowierungen der Heroinsüchtigen. Der Pathologe hatte ihr Alter auf siebzehn geschätzt. Ihr Körper war von der See rein gewaschen, im Haar und an den Beinen war Seetang hängen geblieben, und die donnernde Brandung hatte sie zerschlagen. Sie hatte einen Schädelbruch, ihr Gesicht war verunstaltet, der Mund eingeschlagen. Man konnte sich die jungen Gesichtszüge der Leiche, die übrig war, noch vorstellen, was aber mehr verstörte, als wenn sie völlig zertrümmert gewesen wäre. Sie war eines Sonntagmorgens von einem Spaziergänger gefunden worden, der auf einem Pfad an der Steilküste entlangging, um auf das Meer hinunterzusehen.
    Man konnte sie nicht identifizieren, aber aus den Zähnen ließ sich schließen, dass sie aus Russland war. »Russin, kein Beleg des Ankunftsdatums. Sie glauben, dass sie als Prostituierte arbeitete. Das sind zu viele Parallelen«, sagte Farnham. »Haben Sie etwas im Umfeld der Straße gehört?«
    Lynne hatte nichts mitbekommen. »Ich werde mich umhören«, sagte sie.
    »Die Frauen wissen meistens, was läuft«, sagte er. »Und Sie versuchen jetzt, die Frau von der Humbermündung zu identifizieren? Gibt es Fortschritte?«
    »Ich versuche, ihren Herkunftsort näher zu bestimmen«, sagte Lynne. »Vielleicht ist sie als vermisst gemeldet worden.« Sie erklärte die Sache mit dem Band und Gemma Wisharts überfälligem Bericht.
    »Okay«, sagte er. »Halten Sie mich auf dem Laufenden.« Er senkte einen Moment den Blick. »Eventuell haben wir noch eine.« Er erzählte ihr von der Frau, die am Vortag im Hotel gefunden worden war. Noch eine Frau ohne Gesicht. »Aber wir haben die Todesursache. Sie ist erwürgt worden. Wir sind Freitagmittag angerufen worden.«
    »Wissen Sie, wann sie ermordet wurde?« Sie, nicht wir. Lynne achtete immer darauf, wie sie sich ausdrückte. Sie gehörte nicht zur Mordkommission und wollte vermeiden, dass irgendjemand denken könnte, sie wolle anderen ins Handwerk pfuschen.
    »Irgendwann am Donnerstagabend.«
    »Und man hat sie erst um die Mittagszeit gefunden? Wieso denn das?«
    Farnham schüttelte den Kopf. »Es ist kompliziert«, gab er zu. »Die Leiterin des Hotels, eine gewisse Celia Fry, versuchte, ein Zimmermädchen aufzufinden, das verschwunden war. Laut Fry waren am Freitagvormittag eigentlich nicht genug Reinigungskräfte da. Das Mädchen fing also an, die Zimmer zu putzen. Später suchte Fry nach ihr, weil die Zimmer oben nicht geputzt waren, und sie fand Staubsauger und Wäschekorb mitten im Flur, aber von der Frau keine Spur. Darüber ärgerte sie sich und fing an, sich umzusehen, und da fand sie das Dornröschen in der Badewanne.«
    »Und das Zimmermädchen?«
    »Keine Spur von ihr. Ich dachte, dass Sie uns vielleicht dabei helfen könnten.« Er warf ihr einen Blick zu. »Sie erscheint nicht in der Buchführung des Hotels, und die Leiterin versucht, so zu tun, als gäbe es sie gar nicht. Aushilfe, Studentin, solche Ausreden. Ich glaube, sie wünscht, sie hätte einfach nichts von ihr gesagt.«
    »Glauben Sie, dass die Frau ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigt gewesen war?« Putzen war eine Arbeit, die meist nicht sehr geregelt ablief. »Ich werde mehr Informationen brauchen.«
    »Ich habe ihr gesagt, dass sie innerhalb der nächsten Woche eine Überprüfung sämtlicher Arbeitsabläufe und der Buchführung zu erwarten hätte. Das hat ihrer Erinnerung ganz prima auf die Sprünge geholfen.« Farnham grinste und

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