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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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der Krankenhausfinanzierung und mit jemandem, den sie kannte, dessen Namen sie aber nicht mehr wusste, über die Wichtigkeit von Public Relations. Nach einer Weile bildeten sich neue Grüppchen, sie entspannte sich einen Moment und hörte dem Gemurmel um sich herum zu. Satzfetzen über die Finanzierung der Krankenhäuser, die gegenwärtige Situation des Theaters in Sheffield, die Schwierigkeiten der Universitäten und die Rolle der Forschung in modernen technisierten Gesellschaften. Roz hörte die Gäste über die neuen Vorschriften des Innenministeriums und die engstirnige Verwaltung der Universität reden, dann führte Joanna sie zum Büfett.
    Das Esszimmer mit den glänzenden Buchenholzböden und einem Tisch, auf dem Kristall im Kerzenlicht schimmerte, bildete den absoluten Kontrast zu dem weichen Komfort des Wohnzimmers. Roz sah das eindrucksvolle Büfett und fragte sich wieder einmal, wie Joanna die Zeit fand, all die Dinge zu tun, die sie tat.
    Joanna kam mit dem jungen Mann, Sean Lewis, im Schlepptau auf sie zu, und Roz überlegte, was sie wohl vorhatte. Was auch immer, es war ja nur für einen Abend, und Sean war ein gut aussehender, angenehmer Gesellschafter. Sie unterhielten sich über Allgemeines und ihre Arbeit, aber Roz nahm sehr wohl wahr, wie er näher als nötig neben ihr stand, sie zu lange ansah, wenn ihre Blicke sich trafen, und sich so zwischen Roz und die Gäste im Raum stellte, als wolle er diese von ihr fern halten. Du hast's geschafft, Bishop, hörte sie in Gedanken Lukes Stimme. Fast hätte sie gelächelt, blieb aber ernst.
    Sean zeigte echtes Interesse an ihren Überlegungen zur Law-and-Language-Gruppe und sprach recht kenntnisreich darüber. Er hatte Verständnis für ihr Interesse an der Forschungsarbeit der Gruppe. »Immer wieder die Technik und die Software«, sagte er. »Man lässt sich Forschungsgelder geben, entwickelt die Prototypen und geht dann selbst damit auf den Markt.« Er meinte, sie verschwendeten ihre Zeit mit den kriminaltechnischen Analysen. »Sich mit Bändern abquälen«, sagte er abschätzig.
    Roz war plötzlich hellwach. Dieser junge Mann war offensichtlich ein Überflieger. Sein Arbeitsbereich waren Computer und Software. Er schien viel gereist zu sein, sprach über Amerika, den europäischen Kontinent, den Fernen Osten. Er würde sich wohl kaum eine von Joannas Partys als Abendbeschäftigung aussuchen. Er sah eher aus, als fühlte er sich in den stadtbekannten Pubs von Sheffield zu Hause. Sie fragte sich, was ihn hierher zog.
    Sie sah Joanna nachdenklich und mit leuchtenden Augen zu ihnen herüberschauen, und sie verstand, warum Joanna so interessiert an Sean Lewis war und warum sie wollte, dass Roz und er sich verstanden. Wenn Joanna es schaffte, dann würde er der perfekte Ersatz für Luke sein. Joanna hatte davon gesprochen, dass die Stelle aufgewertet und dem Software-Spezialisten die Kontrolle über die Forschungsgelder von der EU gegeben werden sollte. Er wollte reisen. Und er konnte daneben noch seine eigenen Interessen verfolgen, ja, eine enge Verbindung zu einer erfolgreichen Forschungsgruppe würde ein großer Vorteil sein. Er lächelte ihr zu und nahm sich ein Stückchen Spargel von ihrem Teller. Bahnte sich da ein Pakt mit dem Teufel an? Sie fragte sich, ob sie nicht mit einem extralangen Löffel essen sollte.

5
    Sheffield, Sonntag
    Um sieben Uhr wachte Roz vom Klingeln des Telefons auf. Sie schimpfte und zog die Decke über den Kopf. Sollte doch der Anrufbeantworter die Sache erledigen. Sie hatte es verdient, mal auszuschlafen. Kurz nach zwei war sie von Joannas Party heimgekommen und in den frühen Morgenstunden schon von einer Gruppe Jugendlicher geweckt worden, die sich auf der Straße stritten und herumgrölten. Jetzt wollte sie einfach nur schlafen. Wer würde sie überhaupt zu dieser Zeit anrufen? Ihre Mutter? Nicht einmal Paula würde sonntags so früh anrufen. Dann drang die Stimme auf dem Gerät zu ihr durch, und sie setzte sich auf und griff nach dem Hörer. »Bishop, du faules Stück, steh auf …«
    Das war der alte Luke von früher, der Freund, der sich nie gescheut hatte, sie wegen irgendeiner Unternehmung, für die er sich begeistert hatte, aus dem Bett zu jagen. »Es ist mitten in der Nacht, Luke! Herrgott noch mal!« Dann fiel ihr Freitag wieder ein. »Was ist denn los?«
    »Ich bin in Gemmas Wohnung«, sagte er. »Da ist …« Er klang plötzlich unsicher, der neue Luke, leicht argwöhnisch, etwas distanziert. »Ich bin nicht ganz

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