Nachtengel
das genau wie ihres aussah. Er sagt, er hätte es etwa gegen halb acht am Marktplatz stehen sehen. Er hatte vermutet, dass der Fahrer von der Zelle aus telefonierte.«
Lynne überlegte. »Sie hat in Glossop angehalten, um zu telefonieren? Und dann ein bisschen später, zehn Minuten außerhalb von Glossop, telefonierte sie noch einmal mit ihrem Handy.«
Farnham schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Der Typ sagte, er hätte vermutet, dass sie in der Zelle telefonierte, aber er war nicht sicher. Interessant ist, dass die Gesprächsaufzeichnungen der Telefonzellen zeigen, dass jemand um neunzehn Uhr einunddreißig Luke Hagans Nummer angerufen hat.«
»Wishart hat also Luke Hagan ein Mal aus einer Zelle in Glossop und ein Mal oben vom Snake Pass aus angerufen?« Lynne grübelte.
»Wenn wir annehmen, dass beide Anrufe von Wishart gemacht wurden«, sagte Farnham.
»Wie war das Wetter?« Lynne suchte nach einem Grund, von einer Zelle aus zu telefonieren, statt im sicheren Auto zu bleiben und ein Mobiltelefon zu benutzen.
»Es hat geschüttet.« Farnham wartete einen Moment darauf, ob sie noch etwas zu sagen hatte, dann fuhr er fort: »Wir fragten uns, ob vielleicht der Akku im Handy fast leer war, und sie deshalb die Idee hatte, von der Telefonzelle aus anzurufen. Vielleicht nur, um Hagan die ungefähre Zeit ihrer Ankunft durchzugeben, oder um ihn wissen zu lassen, dass sie an diesem Abend nicht mehr käme. Dann hat sie eine Panne – wir wissen, dass etwas mit der Zündung nicht stimmte, und sie ruft Hagan zu Hilfe.«
»Allerdings war keine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter. Jedenfalls sagt er das.« Es war einfach nicht logisch. »Wenn in meinem Handy der Akku fast leer wäre, und ich hätte im Winter auf der Passstraße eine Panne, würde ich eher den Automobilclub anrufen, als meinen Freund zu benachrichtigen. Besonders wenn der nicht zu Hause ist.«
Farnham hatte daran offensichtlich auch schon gedacht, denn er nickte und fuhr fort: »Irgendjemand hat diesen Anruf gemacht. Entweder Wishart oder auch jemand anderes.«
Jemand anderes – das könnte fast mit Sicherheit der Mörder gewesen sein. »Warum Hagan anrufen?« Um sich nach einer erledigten Aufgabe zurückzumelden?, fragte sich Lynne. Gemma Wishart – von ihrem eifersüchtigen Freund oder ihrem rachsüchtigen Zuhälter umgebracht.
Farnham erriet ihre Gedanken. »Drei tote Prostituierte. Hatten sie den gleichen Zuhälter? Ich brauche Angel Escorts, Lynne.« Das dick belegte Stück Pizza in seiner Hand drohte durchzubrechen, und er beschloss, es sich schnell in den Mund zu stopfen. »Sorry«, sagte er mit gedämpfter Stimme. Nach einem Moment sprach er weiter. »Und dann ist da das Zimmermädchen des Hotels, das immer noch verschwunden ist.«
»Ich bin auf der Suche«, sagte Lynne. »Aber es dauert einfach.« Sie fuhr sich über die Stirn, sie war müde.
»Schon gut«, sagte er und nahm die Weinflasche.
Lynne legte ihre Hand über das Glas. »Ich bin dir sowieso schon voraus«, sagte sie.
»Ich muss fahren«, erinnerte er sie. Lynne hatte ihren Wagen vorher nach Hause gebracht, und sie waren gemeinsam in seinem gekommen. Er lächelte ihr herzlich zu. »Ich will dich nicht betrunken machen«, sagte er, »höchstens vielleicht ein bisschen unbekümmert.« Er stellte die Flasche hin und schlug wieder einen sachlichen Ton an. »Vielleicht würde es sich lohnen, es noch einmal mit dem Hotel zu versuchen, mit der Chefin. Sie heißt Fry.«
13
Hull, Freitagvormittag
Lynne Jordan hatte das Gefühl, dass sich Teile des Falls zusammenfügten, aber sie ergaben immer noch kein Muster, in dem sie ein Bild erkennen konnte. Sie war sicher, dass Nasim Rafiq mehr wusste, als sie zugab. Angel Escorts. Frauen wurden im Internet zum Verkauf angeboten. War es denkbar, dass es ein Bindeglied zwischen der schäbigen Beratungsstelle und der Begleitagentur gab? Allerdings nahmen sich Pearse und Rafiq als Menschenhändler-Team denkbar unglaubwürdig aus. Sie erinnerte sich an Farnhams Bemerkung vom Abend zuvor und fühlte sich unwohl.
Sie hatte den Eindruck, ganz am Anfang der Ermittlung einen dummen Fehler gemacht und wichtige Informationen übersehen zu haben, die jetzt verloren waren. Sie hatte die Angel-Website gefunden, hatte dort die tote Frau entdeckt und sie identifiziert. Aber sie hatte sich von Farnhams Ermittlung ablenken lassen, und als ihr einfiel, dass sie zu der Website zurückkehren sollte, war sie bereits verschwunden. Sie hatte nur die Bilder von
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