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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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möchte ihn sprechen.«
    Kaum habe ich den ersten Schluck von meinem Kaffee getrunken, geht die Tür auf, und Dermitzakis kommt herein.
    »Sie haben mich rufen lassen?«
    »Ja. Ruf Makis Koustas und seine Schwester an. Ich möchte sie einander gegenüberstellen.«
    »Hat sich irgend etwas Neues ergeben?« fragt Dermitzakis schüchtern.
    »Das werde ich dir sagen, sobald ich mit den beiden gesprochen habe. Vorwärts, mach dich auf die Socken. Und wenn du das nächste Mal dein Büro verläßt, sagst du, wo du hingehst.«
    »Aber ich war doch nur Zigaretten holen.«
    »Trotzdem. Auch wenn du nur aufs Klo gehst, müssen wir wissen, wo du bist.«
    Er sucht vergeblich nach einer Erklärung für meinen morgendlichen Ärger. Ich blicke auf die Medikamente, die auf meinem Schreibtisch stehen, und kenne den Grund. Die bevorstehende Untersuchung macht mich nervös. Da es mir in den vergangenen Tagen gutging, habe ich angefangen, heimlich im Büro – aber nie zu Hause! – ab und zu eine Zigarette zu rauchen. Jetzt zittere ich davor, daß Ousounidis mir bei der Röntgenaufnahme dahinterkommt. Zum ersten Mal nach etlichen Tagen habe ich wieder Herzklopfen und nehme ein ganzes Interal statt des verschriebenen halben, um vollkommen ruhiggestellt ins Krankenhaus zu fahren und den Kardiographen zu überlisten.
    Es ist mittlerweile zehn Uhr. Bis Adriani kommt, bleiben mir noch anderthalb Stunden Zeit, genug, um Gikas über die gestrigen Vorkommnisse zu unterrichten. Da jetzt kein Zweifel mehr an der Beziehung zwischen Koustas und Petroulias besteht, können wir den Koustas-Mord nicht mehr bei den unaufgeklärten Verbrechen liegenlassen. Diese Entwicklung wird Gikas überhaupt nicht passen – ganz im Gegensatz zu mir: Mein Stimmungsbarometer steigt merklich. Ich bin schon bereit, den Hörer in die Hand zu nehmen, als Sotiropoulos mit mißtrauischer Miene in der Tür erscheint.
    »Was soll diese ganze Geschichte, die uns Gikas gerade erzählt hat, wieder heißen? Daß der Türsteher dem toten Koustas fünfzehn Millionen abgenommen hat?«
    »Wieso fragen Sie, wenn er es euch so erzählt hat?«
    »Weil es nicht nur darum geht. Ihr wißt mehr und enthaltet es der öffentlichen Meinung vor.« Er blickt mich mit dem Gesichtsausdruck eines ausgehungerten Hundes an, der nach einem Knochen lechzt.
    »Das ist alles, sonst gibt es nichts. Wollen Sie, daß ich es Ihnen nochmals erzähle, damit Sie es besser verdauen können?«
    »Was denn verdauen? Daß euch nach einem Monat Nachforschungen anstelle des Mörders ein Strauchdieb ins Netz gegangen ist? Keine sonderlich aufregende Story für die Tagesschau!«
    Und trotzdem wirst du sie drei Tage lang jeden Abend wiederkäuen und sie mitsamt der Fotografie des ermordeten Koustas auf der Mattscheibe präsentieren.
    »Gibt’s über Petroulias etwas Neues zu berichten?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Hab ich’s doch gewußt! Sie sind tatsächlich krank.«
    Ich stelle mir seinen Gesichtsausdruck vor, wenn ich ihm die Geschäftsbeziehung zwischen Koustas, Petroulias und Koustas’ Exfrau darlegen würde, und mein Stimmungsbarometer steigt weiter. Ich hebe den Hörer ab, um Gikas anzurufen, doch ich sehe, daß ich nur mehr eine dreiviertel Stunde Zeit habe. Wenn er mich in ein Gespräch verwickelt, verpasse ich noch meinen Arzttermin.
    Tatsächlich kommt Adriani vor lauter Angst, wir könnten uns verspäten, eine halbe Stunde zu früh. Wir benötigen eine Viertelstunde, um vom Alexandras-Boulevard zum Allgemeinen Staatlichen Krankenhaus zu gelangen. In dieser Viertelstunde sinkt meine Laune wieder, und Unruhe und Trübsinn machen sich breit. Der Termin ist auf zwölf Uhr festgelegt, doch Adriani läuft in das Untersuchungszimmer, um uns anzumelden. Sie kehrt mit einer Krankenschwester an ihrer Seite zurück.
    »Der Herr Doktor hat die Tests bereits angeordnet«, meint sie zu mir und zeigt sich geschmeichelt über die Vorzugsbehandlung.
    Die Krankenschwester ist klein und x-beinig, hat Koteletten und ein Schnurrbärtchen. »Gehen wir«, schnarrt sie kurz angebunden.
    Ich komme in allen Labors sofort dran, weshalb ich von den Patienten, die in der Warteschlange stehen, schräg angeschaut werde. Wenn Blicke töten könnten! Die glauben mit hundertprozentiger Sicherheit, daß ich dem Arzt ein Geldbriefchen zugesteckt habe. Sie können nicht wissen, daß meine Vorrechte aus anderer Quelle stammen.
    Nach einer Viertelstunde bin ich mit allem fertig, sitze auf einem Plastikstuhl vor dem Sprechzimmer und halte die

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