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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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drei Umschläge mit den Untersuchungsergebnissen in meinen schwitzenden Händen. Die Tür geht auf, und die Schwester läßt uns eintreten.
    Plötzlich habe ich einen ganz anderen Ousounidis vor mir. Der warmherzige, lustige junge Mann, den ich im Krankenhaus kennengelernt habe, ist verschwunden. An seine Stelle ist ein förmlichfrostiger Ousounidis getreten, der nur das Notwendigste von sich gibt. Er brütet finster über den Ergebnissen, während er mich anweist, mein Hemd bis zum Hals hochzuschieben und mich hinzulegen. Da die Erfahrung des Bullen vorläufig die Angst des Patienten in die Schranken weist, begreife ich sofort, was sich hinter seiner Miene verbirgt: Katerina hat ihm erzählt, daß ich von ihrer Beziehung weiß, und er will mir keine Gelegenheit dazu geben, eine anzügliche Bemerkung fallenzulassen. Ich hatte nicht vor, irgendeine Bemerkung fallenzulassen, doch sein Verhalten bringt mich in Rage, und ich beschließe, ebenfalls einen förmlichfrostigen Tonfall anzuschlagen. So beginnt eine einsilbige Beziehungskomödie zwischen uns.
    »Atmen Sie tief ein.«
    Keine Reaktion.
    »Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Bleiben Sie sitzen.«
    Keine Reaktion.
    »Haben Sie Herzrasen?«
    »Selten.«
    »Schön. Ziehen Sie sich an.«
    Keine Reaktion. Solange er das Stethoskop an meine Brust drückte, hielt sich unser Kontakt noch in erträglichen Grenzen, da wir uns nicht in die Augen sehen mußten. Nun, da ich aufrecht vor ihm stehe, ergibt sich das zusätzliche Problem, daß unsere Blicke einander ausweichen müssen.
    »Sie sind in sehr guter Verfassung«, sagt er schließlich eisig, während er meine Karteikarte ausfüllt. »Die Untersuchungsergebnisse sind in Ordnung, Ihr EKG hat sich normalisiert.«
    Schlagartig fühle ich mich federleicht. Mein erster Gedanke geht zu Vlassopoulos und Dermitzakis, denen ich Abbitte leiste, weil ich ihnen heute morgen unrecht getan habe.
    »Ja, aber er überanstrengt sich, Herr Doktor«, mischt sich Adriani ein, die es zum Prinzip erhoben hat, mir die Freude zu vergällen. »Er geht um acht Uhr morgens aus dem Haus und kommt erst abends um sieben wieder heim.«
    »Das macht nichts, Bewegung tut ihm gut. Da er sich wohl fühlt, sollte er in seinem gewohnten Rhythmus leben.« Bei mir spart er mit netten Worten und ist dafür um so herzlicher mit Adriani. Ich wollte mir die Szenen zwischen ihm und meiner Tochter ersparen, und nun schäkert er mit meiner Frau.
    Er wendet sich wieder mir zu, der unterkühlte Ausdruck kehrt auf sein Gesicht zurück. »Sie können alle Medikamente absetzen, mit Ausnahme des Digoxin. Und lassen Sie sich in drei Monaten einen Termin zur Kontrolle geben.«
    Rede du nur, ich nehme auch ein halbes Interal dazu, damit ich meine Ruhe habe, murmle ich in meinen Bart.
    »Siehst du, und du wolltest den Arzt wechseln!« sagt Adriani voll Befriedigung, als wir auf den Wagen zusteuern.
    Ich sollte sie auf seinen Gesichtsausdruck aufmerksam machen, aber ich möchte mir die gute Laune nicht verderben. Außerdem werde ich ihn erst in drei Monaten wiedersehen – wenn überhaupt.

34
    H aben Sie den Mörder unseres Vaters gefaßt?«
    »Nein, wie kommen Sie darauf?«
    »Ich dachte, Sie hätten uns vielleicht deswegen vorgeladen.«
    Sie haben ihre Stühle dicht aneinandergerückt. Er in Lederjacke, Jeans und Cowboystiefeln. Sie in kurzem Rock, Bluse und Jacke. Sie vermitteln den Eindruck, als würden sie am liebsten Händchen halten, und dennoch sind sie voller Gegensätze. Ein Außenstehender würde schwören, sie seien keine Geschwister. Makis ist unrasiert, in sich zusammengesunken und sieht älter aus, als er tatsächlich ist. Niki ist einfach, aber geschmackvoll gekleidet, und ihr kindliches Lächeln läßt sie jünger wirken. Ich habe sie vorgeladen, um einige Auskünfte einzuholen, bevor ich mit ihrer leiblichen Mutter, Loukia Karamitri, rede. Zudem möchte ich Niki Koustas Verhältnis zur R. I. Hellas abklären.
    »Wenn ich wüßte, wer der Mörder Ihres Vaters ist, hätte ich auch Frau Kousta vorgeladen.«
    »Vielleicht hat sie ihn ja umgebracht und sitzt bereits hinter Gittern«, meint Makis und schüttelt sich vor Lachen.
    »Makis, sprich nicht so über Elena. Das ist nicht schön von dir«, sagt seine Schwester streng.
    Der erste Widerspruch kommt bereits zum Vorschein. Und genau darauf setze ich – auf die Gegensätzlichkeit der beiden.
    »Wissen Sie, ob Ihr Vater nach der Trennung von Ihrer Mutter noch Kontakt zu ihr aufrechterhalten hat?«
    »Sie

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