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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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gewesen«, flüstert er.
    »Bei wem?«
    »Bei Mama. Ich war bei ihr.«
    »Wann?«
    »Kurz nachdem sie fortgegangen war. Ich hatte herausgefunden, daß sie in Varypombi wohnte. Frag mich nicht, wie ich es geschafft habe, mich als Vierzehnjähriger bis zum Arsch der Welt durchzuschlagen, doch ich hab es hingekriegt. ›Mutter, ich bin’s‹, hab ich zu ihr gesagt, als sie die Tür öffnete. Sie blickte mich einen Augenblick lang stumm an. ›Geh weg‹, sagte sie dann zu mir. ›Geh weg und komm nie wieder hierher.‹ Und sie schlug mir die Tür vor der Nase zu.« Er erzählt es weder Niki noch mir, sondern spricht vor sich hin. »Mich wollte sie nicht mehr sehen, und mit meinem Vater, den sie verlassen hatte, ist sie groß ins Geschäft gekommen.«
    Er schweigt und sitzt wieder so reglos da wie vor seinem Monolog. Niki hält seinen Kopf und streichelt ihn beruhigend.
    »Jemand hat Ihren Vater erpreßt. In der Nacht, in der er ermordet wurde, hatte er fünfzehn Millionen in seinem Wagen und ging hinaus, um sie zu holen. Höchstwahrscheinlich wollte er das Geld jemandem übergeben. Wem, das wissen wir noch nicht.« Und ich erzähle die ganze Geschichte über Mantas.
    »Er wollte es bestimmt jemandem geben, der was über die Schmutzwäsche meiner Stiefmutter weiß«, triumphiert Makis. »Um ihn zum Schweigen zu bringen.«
    »Was denn für Schmutzwäsche?« frage ich.
    »Makis!« Nikis Tonfall liegt irgendwo zwischen Schrecken und Warnung.
    Er hört nicht auf sie. Sein Blick beginnt wieder zu funkeln, wie jedesmal, wenn er in Fahrt kommt. »Fragen Sie sie doch, wohin sie seit drei Jahren jeden Dienstagnachmittag geht! Jeden Dienstagnachmittag war mein Vater beim Training der Mannschaft, und sie hat sich aus dem Haus geschlichen. Nicht einen Dienstag hat sie ausgelassen! Fragen Sie sie doch, wohin sie gegangen ist! Ich kann es Ihnen aber genausogut sagen – sie hat ihm Hörner aufgesetzt! Meine Mutter hatte zumindest das Rückgrat, ihn zu verlassen. Elena aber ist regelmäßig fremdgegangen.«
    »Makis, Elena hat Papa nicht betrogen. Dein Haß treibt dich zu solchen Behauptungen.«
    »Du wohnst nicht mehr zu Hause und hast keine Ahnung«, flüstert er.
    Eine tolle Kombination, sage ich zu mir selbst. Der Sohn prangert die Stiefmutter an und liebt seine Mutter abgöttisch, und die Tochter prangert die Mutter an und liebt die Stiefmutter abgöttisch.
    Niki hilft ihm langsam und vorsichtig beim Aufstehen, als könne er jeden Augenblick zusammenbrechen. Sie legt ihren Arm um seine Schultern und stützt ihn. Dann dreht sie sich zu mir um. »Wenn Sie uns nicht mehr brauchen, dann würden wir jetzt gerne gehen, Herr Kommissar«, fleht sie fast.
    »Ich brauche Sie nicht länger. Sie können ruhig gehen.«
    Ich wollte Auskünfte über die Karamitri einholen und habe schließlich etwas über die Kousta erfahren. Ich rufe Dermitzakis über die interne Leitung herein.
    »Stell jemanden zur Beschattung von Elena Kousta bereit«, sage ich und wiederhole, was Makis zu berichten hatte.
    Er blickt mich befremdet an. »Glauben Sie einem Fixer?«
    »Nein, aber wir müssen jedem Hinweis nachgehen.« Ich sage ihm nicht, daß mir die Kousta nicht ganz gleichgültig ist und daß ich die Notwendigkeit spüre, meine aufkeimende Zuneigung unter Kontrolle zu bringen.
    »Ich werde die Sache Antonopoulos übergeben. Er stellt sich ganz geschickt an«, sagt Dermitzakis.
    Das ist ein Neuer, den man von der Sittenpolizei zu uns versetzt hat. Farblos und unscheinbar wie er ist, fällt er von Natur aus niemandem auf. Dermitzakis liegt da ganz richtig. Ich schicke ihn aus dem Büro und packe meine Unterlagen zusammen, um mich auf den Nachhauseweg zu machen.

35
    P apa, kannst du mich bis zur Iroon-Politechniou-Straße mitnehmen? Ich habe etwas an der Universität zu erledigen«, sagt Katerina am Morgen, bevor ich aufbreche.
    »Aber sicher.«
    Wir steigen in den Mirafiori und fahren wortlos los. Ich halte meinen Blick stur nach vorn auf die Straße gerichtet, Katerina auf den Gehsteig zu ihrer Rechten. Sie betrachtet die vorüberhastenden Fußgänger und die Fahrgäste der öffentlichen Verkehrsmittel, die sich an den Haltestellen drängeln und nach etlichen Fußtritten und Ellbogenpüffen im Bus landen. Als wir zur Imittos-Straße gelangen, bricht sie ihr Schweigen.
    »Ich wollte, daß du mich mitnimmst, weil ich mit dir reden möchte«, sagt sie. »Aber nicht vor Mama. Nur wir beide.«
    Sie sagt das ganz ohne Umschweife. Ich wende mich ihr verblüfft zu,

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