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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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der Leiche wollte man nichts hören.
    »Sehen Sie doch wenigstens mal nach, ob es irgendeine vermißte Person gibt, auf die die Beschreibung paßt.«
    Der Polizeirat erklärte sich bereit, mir fünf Minuten seiner wertvollen Zeit zu opfern. »Ich habe hier einen Franzosen, zwei Engländer und eine Holländerin. Ich kann Ihnen auch noch einen Achtzigjährigen mit Gehirnerweichung anbieten. Können Sie damit was anfangen?«
    »Nein.«
    »Ein Grund mehr, daß ich ihn mir nicht aufhalsen lasse. Höchstwahrscheinlich ist er aus Ihrem Zuständigkeitsbereich, ein Tourist, der auf die Insel kam und hier von seinen Kumpanen umgelegt wurde.«
    Ich sah, daß ich auf keinen grünen Zweig kam, und rief meinen Vorgesetzten Gikas an, den Leitenden Kriminaldirektor für den Distrikt Attika.
    »Ein Unglück kommt selten allein«, sagte er lachend. »Da fahren Sie endlich einmal in die Ferien, und schon rasseln Sie von einer Katastrophe in die nächste.«
    »Nichts zu machen, ich bin eben ein geborener Pechvogel. Aber was soll ich jetzt mit der Leiche anfangen?«
    »Wenn Sie die Leiche nicht loswerden können, müssen Sie sie eben hierher schaffen und den Fall übernehmen.«
    Ich war hin- und hergerissen zwischen zwei Reaktionen: einerseits der des Beamten, der seinen Chef zum Teufel wünscht, andererseits der des masochistischen Polizisten, der Blut geleckt hat. Die zweite Reaktion gewann die Oberhand, und ich rief den Gerichtsmediziner Markidis in Athen an.
    »Ich bin doch nicht verrückt geworden, daß ich mich auf eine zehnstündige Schiffsreise mache, um mir auf einer erdbebengeschüttelten Insel eine durch einen Erdrutsch aufgetauchte Leiche anzusehen«, meinte er. »Schicken Sie sie mir als Frachtgut, und ich sehe zu, was ich für Sie tun kann.«
    So stehe ich jetzt mit Adriani und drei Koffern an der Anlegestelle und warte darauf, die Fähre zu besteigen. Die Leute drängeln nach vorn und sichern sich eine gute Ausgangsposition, um dann, sobald der Mitarbeiter der Hafenbehörde die Absperrung freigibt, in den Aufenthaltsraum zu stürmen und rechtzeitig einen Tisch zum Birimba-Spielen oder einen Sitzplatz vorm Fernseher zu ergattern.
    Thymios’ Pritschenwagen mit dem Sarg des Unbekannten auf der Ladefläche hat sich etwas verspätet und trifft gerade ein, als wir die Laderampe betreten wollen.
    »Meine Güte, ein Toter als Reisebegleiter! Nach dem Erdbeben nun auch noch das«, sagt eine korpulente Fünfzigjährige mit pistazienfarbener, hautenger Stretchhose und bekreuzigt sich.
    »Das wird wohl der sein, den man nach dem Erdbeben auf dem Berg gefunden hat«, meint ihre Freundin gleichen Kalibers, die sich in enganliegende Jeans gezwängt hat.
    »Muß man ihn denn unbedingt mit dem Linienschiff transportieren? Gibt es da keine andere Möglichkeit?«
    »Wir sind doch in Griechenland, was erwartest du anderes?«
    »Wieso? Paßt es Ihnen vielleicht nicht, mit dem Toten zusammen zu reisen?« tritt Adriani dazwischen, während ich an ihrer Bluse zupfe, um sie zum Schweigen zu bringen. Obwohl ich weiß, daß das nichts fruchtet.
    »Was glauben Sie denn?« sagt die mit der Stretchhose. »Das bringt Unglück, Gott im Himmel! Wir gehen doch auf eine Seereise!«
    »Ach ja, richtig, wie konnte ich das vergessen! Auf dem Landweg hätte sein Transport kein Unglück gebracht.« Sie verspritzt ihr Gift mit einem honigsüßen Lächeln.
    »Wenn Sie sich nicht daran stören, dann leisten Sie der Leiche doch Gesellschaft, wir halten Sie nicht zurück«, meint die andere mit den enganliegenden Jeans, während sie die Laderampe dann doch überquert.
    Die Fähre ist fast leer. Adriani wählt zwei Plastikstühle am Heck aus, damit uns die Sonne ein wenig wärmt. Auf den Bänken liegen, in ihre Schlafsäcke gehüllt, einige Touristen und schlummern selig. Ganz hinten sitzen Anita und Jerry und knutschen unablässig. Irgendwann wendet sich der Engländer um, und unsere Blicke treffen sich, doch mein Gesicht scheint ihm nichts zu sagen.
    Adriani holt ihre Handarbeit hervor und beginnt an ihren Deckchen zu sticken. Ich beobachte sie und frage mich, wo sie die neue Stickerei bloß unterbringen will. Seit ich sie kenne, widmet sie sich dieser Tätigkeit, doch seit Katerina in Thessaloniki Jura studiert und sie viel allein ist, hat sich die Situation zugespitzt. Dann aber läßt sie die Handarbeit sinken und ihren Blick über die Schaumkronen schweifen, und ein abgrundtiefer Seufzer entringt sich ihrer Brust.
    »Was ist los?« frage ich.
    »Ich denke

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