Nachtfalter
zwei Büchern Eintragungen machen.«
»Hat er die Bücher mitgebracht?«
»Nein. Er hatte sie in einem Tresor im Lagerraum eingeschlossen. Es gab weder Quittungen noch Belege. Er diktierte mir die Summen für jedes Geschäftsbuch. Er hatte alles auf einem kleinen Zettel notiert.«
»Und er hat Ihnen nie erläutert, worum es bei diesen Summen ging?«
»Nur einmal erklärte er mir, daß er das Finanzamt beschummelt, wie jeder Geschäftsmann, und ich niemandem von dem Lagerraum und den Büchern erzählen sollte.«
»Und Sie haben dichtgehalten?«
»Kein Buchhalter zeigt seinen eigenen Arbeitgeber an, wenn der das Finanzamt betrügt, Herr Kommissar. Im Grunde versucht jeder gute Buchhalter, Geld am Finanzamt vorbeizumanövrieren.«
Nur daß es Koustas gar nicht darum ging, Steuern zu hinterziehen, sondern Schwarzgeld zu waschen. Vielleicht hatte Jannis das begriffen, vielleicht aber auch nicht. Koustas hatte ihn jedenfalls bestimmt großzügig dafür entschädigt, daß er nichts verlauten ließ.
»In Ordnung, Jannis«, sage ich. »Ich brauche Sie nicht länger, Sie können gehen.«
Stylianidis blickt mich argwöhnisch an. Es fällt ihm schwer zu glauben, daß er alles so schnell überstanden hat. Er wirft einen Blick auf Vlassopoulos und sieht, daß selbst der ihm nun freundschaftlich zugrinst. Er erhebt sich und geht zur Tür. Bevor er hinausgeht, hält er kurz inne.
»Ich bitte Sie, tun Sie Niki Kousta nichts«, meint er beim Hinausgehen. »Wenn ihr meinetwegen etwas zustößt, würde ich mir das nie verzeihen.«
Wahrscheinlich bekennt er zum ersten Mal öffentlich seine Liebe zur jungen Kousta – ausgerechnet mir gegenüber. Er hat im falschen Augenblick den falschen Beichtvater erwählt.
»Machen Sie sich keine Sorgen, ihr passiert nichts.«
Er tritt hinaus und zieht die Tür hinter sich ins Schloß.
»Beschaff einen Einsatzwagen«, sage ich zu Vlassopoulos. »Und einen Schlosser von der Spurensicherung. Gib Dermitzakis Bescheid, er soll im Grundbuchamt nachfragen, auf welchen Namen das Lager in der Kranaou-Straße angemeldet ist.« Ich bin sicher, daß die Eintragung nicht auf den Namen Koustas lauten wird.
Der Nieselregen hat aufgehört und ist in aufgelockerte Bewölkung mit längeren sonnigen Abschnitten übergegangen, wie es im Wetterbericht so schön heißt. In der Sarri-Straße geraten wir in einen Stau. Wir stellen den Streifenwagen auf dem Gehsteig ab und gehen zu Fuß zur Kranaou-Straße. Das Lager erweist sich als ein Kellerraum. Die Metalltür ist mit einem Sicherheitsschloß versehen. Wir beziehen davor Stellung und warten auf den Schlossermeister, der nach einer Viertelstunde wutschnaubend ankommt.
»Stau auf der Mitropoleos-Straße!« erklärt er uns. Es ist derselbe, der die Büros der Greekinvest geknackt hat. Er wirft einen Blick auf das Schloß. »Kein schwieriger Fall, aber ein Weilchen wird es schon dauern.« Nach zehn Minuten stößt er die Tür auf.
Der Lagerraum ist ein großes Kellergeschoß. An der Wand zu unserer Rechten sind Paletten mit Kartons gestapelt. An der linken Wand steht ein großer Schreibtisch mit einem Drehstuhl davor, einem Telefonapparat und einem Faxgerät. Der Tresor, von dem uns Stylianidis erzählt hat, befindet sich neben dem Schreibtisch und nimmt die Hälfte der Wand ein. Der Schlosser begutachtet ihn zunächst, dann holt er sein Werkzeug heraus und macht sich an die Arbeit. Vlassopoulos beginnt, die Schubladen des Schreibtisches zu durchwühlen.
Mir bleiben nur mehr die Kartons zur Untersuchung übrig. Die beiden Paletten tragen außen einen Stempel mit der Bezeichnung Sofrec. Ich mache die ersten beiden Kartons auf und stoße auf zwei unterschiedliche Sorten vakuumverpackten Hartkäse. Die dritte Palette enthält höhere Kartons, und der Stempel lautet Tripex. In der ersten Schachtel finde ich sechs Flaschen Rotwein. Offensichtlich handelt es sich bei beiden Waren um französische Produkte, die Koustas für das Canard Doré eingekauft hatte. Ich lasse die Kartons stehen und gehe zu Vlassopoulos.
»Nichts drin, sie sind ganz leer«, meint er und deutet mit einer Kopfbewegung auf die Schreibtischladen.
Ich hatte nichts anderes erwartet. Nur der Safe wird uns Koustas’ Geheimnisse offenbaren können. Der Schlosser ist immer noch zugange. Ich blicke ihm über die Schulter. Und wenn er es nicht fertigbringt, ihn zu öffnen? frage ich mich. Er scheint meine Sorgen zu erraten, denn er hebt den Kopf und grinst mir zu.
»Nur keine Bange«, meint er.
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