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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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meinen Kaffee. Ich mache ihn mir selten selbst, und normalerweise kommt dabei ein verwässertes Gesöff heraus. Ich trinke ihn in kleinen Schlucken und brüte darüber nach, wohin mich der Gedanke, der mich im Schlaf überfallen hat, wohl führen mag.
    Ich begehe den Fehler, früher als sonst aus dem Haus zu gehen, weil ich keine Ruhe finde, und gerate in den morgendlichen Stoßverkehr. Alle Straßen sind blockiert, und ich ärgere mich, daß ich nicht eines von Ousounidis’ Lexotanil zur Beruhigung eingenommen und mich zur üblichen Zeit auf den Weg gemacht habe.
    Als ich drei Stunden später endlich im Büro bin, lasse ich mich mit Kriminalhauptwachtmeister Kardassis verbinden. Diesmal habe ich Glück.
    »Kommissar Charitos«, sage ich. »Erinnern Sie sich an den Abend, als ich zu Ihnen aufs Revier gekommen bin?«
    »Aber gewiß doch, Herr Kommissar.«
    »Erinnern Sie sich auch an diesen Typen, der seinen Trauzeugen anzeigen wollte, weil der sich an seiner Frau vergriffen hatte?«
    Er lacht. »Ach, der? Der ist seitdem nicht mehr aufgetaucht, und wir haben unsere Ruhe.«
    »Irgendwie kam damals die Rede darauf, daß er in der Nacht, als Koustas ermordet wurde, gegen jemand anderen Anzeige erstattet hatte. Können Sie sich daran erinnern?«
    »Jetzt, wo Sie es sagen …«
    »Das beim Mord an Koustas benutzte Motorrad hatten Sie in der Leonidou-Straße gefunden, vor dem Finanzamt Chaidari, nicht wahr?«
    »Genau.«
    »Und wo ist der Vorfall mit dem Wagen passiert?«
    Ich höre, wie er seine Papiere durchblättert. »Der Wagen war in zweiter Spur in der Anexartisias-Straße geparkt und versperrte die Einfahrt in die Pavlou-Mela-Straße.« Er begreift, worauf ich hinauswill, und fügt hinzu: »Die Pavlou Mela ist die erste Parallelstraße zur Leonidou.«
    »Da eine Anzeige erstattet wurde, müssen Sie die Adressen der beiden haben.«
    »Sind beide vorhanden. Der, den Sie auf dem Revier miterlebt haben, heißt Aristos Moraitis. Er betreibt eine Kfz-Werkstatt in der Patroklou-Straße 4 in Egaleo. Der andere heißt Prodromos Tersis und besitzt einen Textilbetrieb für Kinderkleidung in der Kachramanou-Straße 5 in Nea Ionia.«
    Ich stecke das Phantombild des Weißhaarigen ein und stürme aus dem Büro. Bevor ich davoneile, lege ich einen kurzen Zwischenstopp beim Büro der Kriminalobermeister ein.
    »Ich bin unterwegs und weiß noch nicht, wann ich wieder hier bin«, sage ich zu Vlassopoulos und Dermitzakis. »Bleibt auf dem Posten, denn ich brauche euch möglicherweise noch.«
    »Was machen wir mit Karamitris?« fragt Vlassopoulos.
    »Wir verhören ihn, sobald ich wieder da bin. Er soll sich ruhig ein wenig ans Gefangenendasein gewöhnen.«
    Wenn ich den Weißhaarigen auftreiben kann, dann habe ich denjenigen, der alle drei Morde ausgeführt hat, und damit Karamitris in der Zange. Das einzige, was nicht ins Bild paßt, ist die Tatsache, daß derjenige, der den Mord an Petroulias ausgeführt hat, derselbe sein soll, der danach Koustas und der Karamitri den Garaus gemacht hat. Kann sein, daß alles Zufall ist. Zufälligkeiten retten einen immer, wenn es keine anderen einleuchtenden Erklärungen gibt.
    Aristos Moraitis besitzt eine große Kfz-Werkstatt, und den davor aufgereihten Wagen nach zu schließen, muß er sich eine goldene Nase verdienen. Zwei junge Männer in Arbeitsanzügen werkeln an einem Suzuki Swift.
    »Wo ist Herr Aristos Moraitis?« frage ich den einen.
    »Drinnen, im Büro«, entgegnet der andere, während der Befragte nicht einmal den Kopf nach mir wendet.
    Das Büro ist ein winziger, quadratischer, durch Wände aus Sperrholz und Fensterglas abgetrennter Raum, am hinteren Ende der Werkstatt. Von ferne kann ich Moraitis’ Kopf sehen, doch als ich das Büro betrete, erkenne ich ihn nur schwer wieder. Nicht, daß ich mich derartig deutlich an ihn erinnern könnte, doch er hat bei mir den Eindruck eines kräftig gebauten Mannes hinterlassen. Der Mann, den ich nun vor mir habe, ist vergrämt, unrasiert und mit seelenlosem Blick, als wäre er gestern erst von einer schweren Krankheit genesen.
    »Herr Aristos Moraitis?« frage ich, um sicherzugehen.
    »Ja.«
    »Kommissar Charitos. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können, aber wir sind uns auf dem Polizeirevier Chaidari begegnet. Sie wollten gerade eine Anzeige gegen jemanden erstatten, der Ihrer Frau zu nahe getreten war.«
    Er schnellt in die Höhe, als sei ihm ein Raupenschlepper über die Zehen gefahren. »Erinnern Sie mich bloß nicht an sie!«

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