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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Ast zu, wobei er unwillkürlich wieder flatterte. Dann plumpste er auf seinen Vater.
    »Entschuldigung«, keuchte Dämmer, als sie sich entknäult hatten.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Ikaron.
    »Ich glaub schon.« Dämmers Brust hob und senkte sich, als er um Atem rang.
    Er bewegte alle Glieder, um sicherzugehen, dass nichts gebrochen war, dann blickte er seinen Vater finster an. »Du hast mich runtergestoßen!«
    »Ich stoße alle meine Kinder runter«, antwortete sein Vater leise lachend. »Glaub mir, niemand will seinen ersten Sprung machen.«
    Dämmer fühlte sich schon besser. »Auch Sylph nicht?«
    »Auch Sylph nicht.«
    Gestern hatte sein Vater Sylph zu ihrem ersten Gleitunterricht mitgenommen, und sie hatte nichts davon erzählt, dass sie runtergestoßen worden war.
    »Wie war ich denn?«, fragte Dämmer. Er zitterte immer noch.
    »Ich hatte noch keinen, der flattern wollte.«
    »Tut mir leid«, sagte Dämmer kleinlaut. »Ich dachte, es wäre das Richtige.«
    »Deine Segel sind zum Gleiten gemacht, nicht zum Fliegen. Denk daran.«
    Dämmer nickte gehorsam.
    »Du hast es gut gemacht«, sagte sein Vater. »Ein bisschen zu schnell. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass deine Segel kein Fell haben.« Er musterte Dämmer genauer. »Und deine Schultern und die Brust machen dich vorne etwas schwerer. Das mag erklären, weshalb du dich leicht nach vorne neigst. Du wirst auf jeden Fall ein schneller Gleiter werden. Ein wilder Jäger. Die Schwärmer werden keine Chance haben. Aber an deiner Landung musst du wirklich noch arbeiten.«
    »Das mach ich. Versprochen.«
    »Willst du es noch mal versuchen?«
    Dämmers Herz hämmerte wild. »Ja«, sagte er sofort.

Kapitel 2
Dämmer
Sechs Monate später
    V erdeckt von Blättern und bewegungslos an die Rinde geschmiegt, spähte Dämmer hinauf zu dem Vogel. Nur wenig über ihm hockte der auf einem Zweig, legte den Kopf von einer Seite zur anderen und antwortete gelegentlich auf die Rufe seiner Vogelfreunde im Wald. Dämmer bewunderte seine Gestalt, die Art, wie alles an ihm für ein Leben in der Höhe geschaffen war.
    Der Vogel raschelte mit den Federn und Dämmers Augen weiteten sich erwartungsvoll. Doch dann legte der Vogel seine Flügel wieder zusammen, machte ein paar Schritte und pickte etwas von dem Zweig auf. Dämmer atmete ganz leise aus. Er wollte den Vogel fliegen sehen.
    Es hatte ihn viel Zeit gekostet, den Oberen Holm zu erreichen, und es war keine einfache Klettertour gewesen. Seine Beine waren inzwischen stärker geworden, doch die fehlenden Krallen waren nicht erschienen. Tatsächlich sah er so seltsam aus wie immer. Weit unter ihm kurvten die anderen Chiropter über die Lichtung und jagten. Niemand wusste, dass er sich hier oben befand. Das war sein Geheimnis.
    Es war schwierig, die Vögel von Nahem zu sehen, wenn man nicht so weit hochkam. Obwohl sie auf der Suche nach Futter am Boden oft unten zwischen den Bäumen hindurchhuschten, hielten sie sich doch nie in der Nähe des Reviers der Chiropter auf. Und sie flogen so schnell vorbei, dass Dämmer eigentlich nie genügend Zeit hatte, sie genauer zu betrachten. Hier auf dem Oberen Holm, genau auf der Grenze zwischen dem Gebiet der Chiropter und dem der Vögel, war es sehr viel einfacher, sie zu beobachten. Es war nicht das erste Mal, dass Dämmer hergekommen war. Er konnte auch nicht richtig erklären, was ihn hier so anzog – und er hatte auch nie jemandem davon erzählt. Was würde sein Vater dazu sagen?
    Es war nicht der Vogel selbst, dem sein Interesse galt. Das Fliegen war es, nach dem er sich sehnte, besonders die ersten Augenblicke, wenn der Vogel mit den Flügeln schlug und sich in die Luft erhob. Jedes Mal, wenn er das sah, spürte Dämmer diesen seltsamen Schmerz in der Brust. Er wollte verstehen, wie man das machte.
    Allmählich fing er an, diesen speziellen Vogel hier für vollkommen nutzlos zu halten. Er stand einfach nur da und tat gar nichts. Warum flog er nicht los? Dämmer hatte ihn nun mindestens fünfzehn Minuten lang beobachtet. Sein Magen knurrte. Er sollte eigentlich jagen. Aber zuerst wollte er zumindest einen ordentlichen Abflug sehen. Doch dummerweise hatte dieser Vogel wohl entschieden, dass dies genau der richtige Zeitpunkt wäre, sein Gefieder aufzuschütteln und zu pflegen.
    Leise atmete Dämmer durch die Nase ein und dann …
    »Flieg!«, schrie er mit aller Macht.
    Der Vogel sprang instinktiv von seinem Ast auf, breitete die Flügel aus und schlug die Luft. Eifrig beugte sich

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