Nachtflug Zur Hölle
verlangte schließlich eine Peilung zur Standortbestimmung. Als er näher an den Absturzort heranflog, sah er, daß die CV-22 noch verhältnismäßig intakt zu sein schien. Ihr rechtes Triebwerk brannte, aber der ölig schwarze Rauch wurde bereits durch weißen ersetzt, als das automatische Feuerlöschsystem anzusprechen begann. Für den Fall, daß es dort unten Überlebende gab, mußte er die Maschine nochmals mit Bordwaffen angreifen.
Der junge weißrussische Pilot richtete das Rechteckvisier seiner Maschinenkanone auf das abgestürzte Flugzeug und gab einen zwei Sekunden langen Feuerstoß ab. Die Garbe lag jedoch viel zu hoch und zerfetzte die Bäume weit oberhalb der CV-22. Bis Doleckis merkte, daß sein Visier noch auf Luftkampf eingestellt war, hatte er das Ziel bereits überflogen. Er kurvte rechts ein, um die CV-22 in Sicht zu behalten, und bereitete sich auf einen weiteren Angriff mit der Maschinenkanone vor. Die Bomben und Raketen seiner MiG-27 hätten zuviel Schaden angerichtet, denn er wußte, daß sein Kommodore das Flugzeug möglichst intakt in die Hände bekommen wollte.
Doleckis befand sich vor seinem erneuten Angriff im Queranflug, als im Wald in der Nähe der Absturzstelle plötzlich eine Qualmwolke sichtbar wurde, aus der ein weißer Rauchfaden aufstieg. Er kurvte sofort nach rechts weg und betätigte die Schalter, mit denen Düppel und gleißend hell brennende Magnesiumfackeln ausgestoßen wurden.
Der weiße Faden raste genau auf ihn zu…
Die Fla-Rakete würde ihn treffen …
Ihre Rauchspur wurde größer und größer, die Rakete steuerte die Köder hinter ihm an und verfehlte den Jagdbomber nur um wenige Meter. Zum Glück schien sie keinen Abstandszünder zu haben. Die Besatzung der CV-22 hatte eine Stinger auf ihn abgeschossen! Die Amerikaner waren also keineswegs hilflos und außer Gefecht gesetzt, sondern griffen ihrerseits an! »Leitstelle, Sieben-eins-eins, die Besatzung der abgeschossenen CV-22 hat mich mit einer Fla-Rakete beschossen! Warnen Sie alle Flugzeuge vor Raketenbeschuß!«
Doleckis begann seinen Angriff aus zehn Kilometern Entfernung in tausend Meter Höhe und mit 400 Stundenkilometern. Bei acht Kilometern senkte er den Bug der Maschine, richtete das Rechteckvisier auf die CV-22 und beobachtete, wie der Entfernungsmesser rückwärtslief. Die Anzeige stand plötzlich still, lief dann schnell weiter und blieb erneut stehen – der Radarentfernungsmesser wurde gestört. Aber das spielte keine Rolle. Er wartete einfach, bis die Umrisse der CV-22 deutlich im Visier erschienen, und drückte dann auf den Feuerknopf.
Als seine Maschinenkanone loshämmerte, nahm er aus dem Augenwinkel heraus eine plötzliche Bewegung wahr. Ein rascher Blick nach links zeigte ihm etwas, das wie ein größeres Insekt dicht über den Bäumen schwebte – dann waren es zwei, drei Insekten, zu denen rechts weitere drei oder vier kamen. Jedes schien zwei blitzende Augen zu haben, die genau auf ihn gerichtet waren. Doleckis sah aufs Zählwerk seiner Maschinenkanone – 150 Schuß waren bereits abgegeben – und stellte befriedigt fest, daß alle Einschläge genau im Ziel lagen. Vom Rumpf der CV-22 stiegen kleine schwarze Rauchwolken auf, und der rechte Tragflügel knickte nach unten ab…
Ein gewaltiger Schlag warf Doleckis nach rechts in seine Schultergurte, als sei die MiG-27 von einer Abbruchbirne getroffen worden.
Er riß den Steuerknüppel zurück und sah wieder Insekten vorbeiflitzen – aber diesmal war zu erkennen, daß sie in Wirklichkeit kleine Zweimannhubschrauber mit je zwei Maschinengewehren an den Landekufen waren. Immer neue MG-Garben hämmerten gegen den Rumpf des Jagdbombers. Doleckis wußte, daß sie weder seine Cockpitpanzerung noch die hochfeste Verglasung durchschlagen konnten, aber der übrige Rumpf der MiG-27 bestand nur aus einer dünnen Stahllegierung.
Im Cockpit begannen Warnleuchten zu blinken. Das Kanonenvisier wurde plötzlich dunkel. Das blecherne Hämmern, unter dem seine Maschine erzitterte, löste ein immer stärker werdendes Rütteln aus. Der Steuerknüppel ließ sich nicht mehr bewegen, aber selbst wenn das möglich gewesen wäre, hatte er das Rütteln nicht übersteuern können. Doleckis schaltete auf Reservehydraulik um und betä-
tigte die Seitenruderpedale, die normal funktionierten. Auch der Steuerknüppel schien nicht mehr völlig unbeweglich zu sein.
Vielleicht reichte es noch für einen weiteren Angriff…
Doleckis konzentrierte sich so darauf, die CV-22
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