Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
auf den Knopf gedrückt und lachte leise vor sich hin.
«Wie willst du herausfinden, in welches Schließfach sie den Geldkoffer gesteckt hat? Ich hab den Eindruck, dass diese mysteriöse Signora alles versucht, um dich reinzulegen, Laura.» Kommissar Baumann lief zwar neben Laura Gottberg durch die Halle des Hauptbahnhofs, doch sein Verhalten drückte deutlichen Widerstand aus. Er ging langsamer als Laura und hielt immer wieder an. Seine Bedenken formulierte er auf umständliche Weise. «Falls wir hier in irgendwelche Schwierigkeiten geraten … was sagen wir unserem Chef? Hast du dir das überlegt, Laura?»
Laura Gottberg blieb so plötzlich stehen, dass er gegen sie prallte.
«Falls du weiterhin solchen Quatsch redest, dann nimm dir ein Taxi zum Präsidium! Hältst du mich für schwachsinnig, oder was? Die Cipriani wird mir die Nummer des Schließfachs per Handy mitteilen. Und ich garantiere dir, dass wir nicht in Schwierigkeiten geraten werden! Jetzt sei friedlich und trink einen Kaffee mit mir!»
Baumann seufzte, zuckte die Achseln, rieb verlegen seinen Nacken. Laura hakte ihn unter, zog ihn zu einem der Pavillons in der Mitte der Bahnhofshalle und bestellte zwei Cappuccino im Pappbecher.
«Laura, jetzt im Ernst! Es gibt nicht mal eine offizielle Anzeige. Die Frau muss so was unterschreiben, ehe wir aktiv werden können.»
Laura zahlte und schob einen Becher zu Baumann hinüber. «Hör mal, Peter, wir arbeiten schon seit Jahren ziemlich erfolgreich zusammen. Unsere Ermittlungen waren doch immer wieder mal nicht hundertprozentig von oben abgesichert. Was ist auf einmal los mit dir?»
«Überhaupt nichts. Ich hab nur in diesem speziellen Fall ein ungutes Gefühl. Ich kann es nicht genau erklären – aber es kommt mir vor wie eine Art Geldwäsche. Im übertragenen Sinn. Als würde man dich oder uns benutzen, um etwas ganz anderes zu veranstalten. Kannst du mir folgen?»
«Teilweise.»
«Immerhin.»
«Wozu werden wir benutzt?»
«Keine Ahnung! Es ist nur so ein Gefühl.»
«Gut, dann treffen sich unsere Gefühle irgendwo in der Mitte. Ich trau der Dame auch nicht ganz, deshalb beobachte ich sie schon eine Weile.»
«Und?» Baumann wickelte den grauen Wollschal enger um seinen Hals; es zog in der Bahnhofshalle.
«Nichts Besonderes. Ich hatte nur den Eindruck, dass ihr Liebhaber nicht zum letzten Frühstück erschienen ist. Aber ganz sicher bin ich nicht. Außerdem wirkte sie eine Weile sehr nervös. Sie telefonierte ein paarmal ziemlich hektisch. Vielleicht versuchte sie ihn zu erreichen.»
«Du hättest sie wegschicken sollen, Laura. Wir sind nicht zuständig für Erpressungen italienischer Damen durch irgendwelche Gigolos. Sie soll gefälligst in Italien zur Polizei gehen!» Vorsichtig schlürfte Baumann seinen Kaffee.
Er sieht so jung aus ohne die langen Haare, dachte Laura. Irgendwie ganz unbedarft und ein bisschen zu rund. Er muss unbedingt seine Haare wieder wachsen lassen!
«Was denkst du denn, Laura?»
«Ach, nichts. Du hast ja ein bisschen recht. Aber nur ein bisschen. Ich finde die Angelegenheit spannend, und dein Einfall mit dem Gigolo ist vielleicht gar nicht so schlecht.» Laura schaute über Kommissar Baumanns Schulter und entdeckte zwischen all den hin und her strömenden Menschen Donatella Cipriani mit ihrem roten Rollkoffer.
«Ja, spannend», murmelte sie. «Da ist sie übrigens. Die mit dem roten Rollkoffer. Dreh dich langsam um, dann siehst du sie.»
NIEMAND KAM. Nicht nach einer Stunde, nicht nach anderthalb. Sie froren, aßen heiße Maroni und Pommes mit Ketchup. Laura spendierte einen zweiten Cappuccino. Von der Decke der Bahnhofshalle hingen riesige bunte Sterne, die sich langsam drehten.
«Ich finde, wir sollten nachsehen, was die Signora eigentlich in diesem Schließfach hinterlassen hat!», meinte Baumann nach einer Stunde und vierzig Minuten.
«Das können wir auch morgen noch machen. Manchmal braucht man eben Geduld.»
«Und woher nimmst du die?»
Laura zuckte die Achseln und hatte kurz wieder dieses seltsam leere Gefühl, als hätte jemand eine Verabredung nicht eingehalten oder sie versetzt.
«Ich jedenfalls gehe jetzt!» Baumann warf seinen leergetrunkenen Pappbecher in einen Papierkorb, rieb seine Handflächen gegeneinander und stampfte mit seinen Stiefeln auf.
«Dann geh! Ich bleib noch ein bisschen. Vielleicht kann ich die Kollegen, die hier ohnehin Dienst schieben, überreden, dass sie uns ablösen.»
«Mit welcher Begründung?»
«Dass in dem
Weitere Kostenlose Bücher