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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Flughafen sein. Den Geldkoffer würde sie gegen halb zwei ins Schließfach bringen, den Schlüssel abgeben und sofort die S-Bahn zum Flughafen nehmen. Sie beschloss, den anonymen Brief von letzter Nacht zu ignorieren. Unmöglich konnte sie die Kommissarin anrufen und sagen, dass auf einmal alles ganz anders sei. Außerdem war sie sicher, dass man sie beobachtete und wissen würde, dass sie den Koffer abgestellt hatte. Und dann würden sie nicht widerstehen können und das Geld holen. Und dann … lief vielleicht doch noch alles nach ihrem Plan. Oder auch nicht.
    Donatella goss Mineralwasser in ein bauchiges Weinglas und trank es in einem Zug leer. Am Abend musste sie Ricardo zu einer Ausstellungseröffnung in Mailand begleiten. Das stand schon seit Wochen in ihrem Terminkalender, und sie würde es durchziehen!
    Der vor ihr liegende Tag hatte Gestalt angenommen. Das beruhigte sie. Ohne Struktur konnte sie nicht leben. Trotzdem erlitt sie unter der Dusche einen so heftigen Panikanfall, dass sie sich an den Armaturen festhalten musste und sich beinahe übergeben hätte.
     
    Laura arbeitete eine Weile am Computer, allerdings nicht besonders konzentriert, verglich ein paar Täterprofile, die zu einem ungeklärten Mordfall in einer Münchner Kleingartensiedlung passen könnten. Und hörte wieder damit auf. Es gab Momente, in denen sie die Reduzierung von Menschen auf Fingerabdrücke, schlechte Fotos und Strafregister nicht ertragen konnte.
    Sie hätte gern mehr über die Familie Cipriani erfahren, doch auf die interne Datenbank der italienischen Polizei hatte sie keinen Zugriff, und die Website von Ricardo Cipriani war nicht besonders aufschlussreich. Sie glich mehr einem Werbespot, pries sogar die Designermöbel seiner Frau an. Eine rundum erfolgreiche, glückliche Familie, mit zwei erwachsenen Kindern, schön, strahlend, mitten im Studium, zwei weißen Retriever-Hunden und sonst noch allerlei, unter anderem dem Satz «Padanien bewahren, Padanien verteidigen, Padanien aufbauen. Es lebe die Freiheit!».
    Erstaunlich, dachte Laura. Was würde wohl passieren, wenn eine politische Partei ernsthaft die Abspaltung Bayerns oder ganz Süddeutschlands betreiben würde, um eine Zone zu errichten, die auch Ostdeutsche und Norddeutsche zu Ausländern erklären würde. Bisher waren die Abgrenzungsspektakel der bayerischen Politiker eher harmlos und erheiternd.
    Laura seufzte und wählte Commissario Guerrinis Nummer in der Questura von Siena. Doch statt Guerrini meldete sich Sergente Tommasini, der sehr erfreut klang, Laura, die Commissaria tedesca, am Apparat zu haben. Was er für sie tun könne? Der Commissario sei leider außer Haus, dienstlich. Wann er zurückkomme, das wisse er nicht. Aber was immer er, Tommasini, für die Signora tun könne, er werde es tun …
    «Nein, nichts. Jedenfalls im Augenblick. Danke, Tommasini, geht es Ihnen gut?»
    «Bene, Signora, abbastanza bene.»
    «Una bella giornata, Sergente.»
    «Anche per lei, Commissaria.»
    Laura legte den Hörer weg und lächelte über den italienischen Ausdruck «abbastanza bene», der so viel bedeutete wie «man kann nicht klagen», aber eben nicht besagte, dass es wirklich gutging … nur ausreichend gut. Sie überlegte, ob sie Guerrini auf dem Handy anrufen sollte, ließ es aber bleiben. Wenn er unterwegs war, konnte er ohnehin nicht für sie in der Datenbank stöbern. Zweimal drehte sie sich unentschlossen mitsamt ihrem Chefsessel, rief dann das
Hilton
an und fragte, ob Signora Cipriani schon abgereist sei. Nein, noch nicht, war die Antwort. Ob Laura verbunden werden wolle?
    Laura bedankte sich und legte auf, griff nach ihrer Lederjacke, ihrem kleinen Rucksack, sperrte die Tür auf und verließ das Dezernat über das kaum benutzte rückwärtige Treppenhaus. Sie stieg in ihren Dienstwagen und fuhr zum
Hilton
.
    In den frühen Morgenstunden hatte es offensichtlich einen unerwarteten Föhneinbruch gegeben, jene Wetterlage, die immer wieder für Überraschungen sorgte, für einen rapiden Anstieg der Selbstmordrate, für Autounfälle, Kreislaufzusammenbrüche und den für Apotheker erfreulichen steigenden Umsatz von Kopfschmerztabletten. Laura liebte den Föhn, der innerhalb weniger Stunden einen südlichen Himmel mit flockigen Wolkenfahnen über Bayern zauberte, warmen Wind über die Alpen schickte und bei ihr meistens einen Zustand auslöste, als hätte sie zu schnell ein Glas Sekt getrunken.
    Der Föhn hatte den Nebel weggeblasen, die Straßen glänzten noch vom

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