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Nachtgesang

Nachtgesang

Titel: Nachtgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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mir, meinen Pfeil – oder vielleicht auch durch das E-Dezernat ...«
    »Deinen Pfeil? Das warst also wirklich du?« Jake begann nun endlich teilweise zu begreifen.
    »Ein Teil von mir, etwas von mir. Bewusstsein, Jake, Bewusstsein! Kennst du den einfachsten Weg, ein Stückchen Eisen zu magnetisieren? Du wirfst es in einen Haufen Magneten hinein, das ist alles. Und was dich angeht ...«
    »Ich wurde ganz tief ins kalte Wasser geschmissen«, folgerte Jake.
    Der andere nickte. »Offensichtlich. Wenn du dich nun also ein bisschen entspannen würdest, könnten wir weitermachen.«
    Und Jake entspannte sich ...
    Für jeden anderen mochten diese Orts- und Zeitsprünge vielleicht nervtötend sein: von einem Sommertag am Fluss zu einer mondbeschienenen Winternacht bis hin zu einem Nachtlicht in einem winzigen Dachbodenzimmer. Nervtötend auch, wenn sie funktionierten, wie sie sollten, aber dieses Mal war etwas schiefgegangen. Denn in dem kleinen Zimmer, in dem sich der Träumende nun befand, war er allein und es gab keine Anzeichen von seinem Gast (oder von seinem Geist?). Aber Jake – einer der wenigen Menschen, die meist zwischen Träumen und Realität zu unterscheiden wissen – war nicht allzu beunruhigt. Wenn überhaupt, war er eher erfreut. Oder er war auf der einen Seite froh (denn der Traum hatte gedroht, ihm zu entgleiten) und auf der anderen Seite ein klein wenig enttäuscht. Gerade als er dachte, er würde irgendetwas erreichen, etwas lernen ...
    Aber du lernst doch etwas , protestierte Harry.
    Verblüfft schaute Jake sich überall um. Er schaute zu schnell, ohne etwas zu sehen. Zur gleichen Zeit schwante ihm, dass er Harrys Stimme nicht gehört, sondern eher gefühlt hatte. »Telepathie?«, fragte er. »Heißt das, du bist nicht durchgekommen? Und wenn doch, wo zum Teufel steckst du dann?«
    Ich bin hier drüben, antwortete Harry. Ich stecke fest an einem der unschuldigsten Orte. Zumindest für den Moment unschuldig.
    Das »hier drüben« war eine Anweisung, die so klar oder sogar noch klarer war als eine Stimme. Jetzt, da Jake noch einmal schaute, sah er, was er das erste Mal übersehen hatte: Eine Wiege stand in der Ecke eines kleinen Zimmers, wo der Dachvorsprung sehr niedrig war. Jake duckte sich und ging darauf zu.
    In der Wiege lag ein Kleinkind; das nackte, speckige Baby hatte seine weiche Wolldecke weggestrampelt und lag nur noch mit Windeln bedeckt in seinem Bettchen. Sein Gesicht war engelsgleich und seine Augen ...
    »Du!« bemerkte Jake.
    Andere Zeiten, andere Harry Keoghs, antwortete der Angesprochene.
    »Aber ein Baby, du?«
    Nun ja, das war ich einmal, vor langer Zeit! Aber was du nun anschaust ... nein, das bin nicht ich. Auf der anderen Seite bin ich hier drinnen. Denn dies ist eine Zeit, in der ich immateriell war, Jake, und der Geist meines Sohnes war wie ein schwarzes Loch. Er saugte mich auf, rettete mich, bis ich jemand anders werden konnte.
    »Er ... er hat deine Augen«, stammelte Jake, denn das war der einzige Weg, auf das zu antworten, was er gerade gehört hatte. Und doch kam es ihm irgendwie bekannt vor, denn Ian Goodly hatte versucht, ihm etwas Ähnliches zu erzählen.
    Er hat auch meinen Geist!, antwortete ihm Harry, der glücklich – oder unglücklich? – in seiner Wiege gluckste. Meinen und seinen ebenfalls. Und wenn mich nicht alles täuscht, sind wir in einem sehr schlechten Moment angekommen.
    »Was, schon wieder?«
    Ich suchte nach Unschuld und fand sie. Aber falls ich recht habe, ist diese bald vorbei. Weißt du, das ist ziemlich genau der Zeitpunkt, an dem Harry Junior der Herr des Gartens wird. Was demzufolge bedeutet ...
    Eine Frauenstimme schrie aus dem angrenzenden Dachbodenzimmer. Es war ein Angstschrei aus tiefster Kehle!
    Keine Panik, mischte sich Harry ein, obwohl seine eigene mentale Stimme jetzt einen dringlichen Unterton angenommen hatte. Das ist seine Mutter, aber alles ist völlig unter Kontrolle. Und wir sind hier fast wieder weg. Davor jedoch ... Jake, ich brauche die Namen dieser Eindringlinge, der Kreaturen, die in der Möbius-Zeit deine Lebenslinie gekreuzt haben. Wenn du weißt, wer sie sind, kann ich wahrscheinlich mehr über ihre Geschichte herausfinden, ihre Schwächen erkennen, vielleicht einen Weg für dich finden, sie außer Gefecht zu setzen.
    (Aus dem anderen Raum klang es, als ob Möbelstücke zerbarsten, dann kam ein einziger schriller Schrei: »Nein!«, gefolgt von einem dumpfen Aufschlag, einem leisen Stöhnen und Schweigen ... für einen

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