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Nachtgesang

Nachtgesang

Titel: Nachtgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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standen nun vor dem Gartentor des mittleren Hauses. Lichter im unteren Stockwerk warfen eckige schwarze Schatten über das ausgedörrte Gebüsch und den Gartenweg ... Die Schatten von Männern, auf die man nur einen flüchtigen Blick werfen konnte, bevor die Terrassentüren zugeschlagen und die Vorhänge hastig vor die großen Fenster gezogen wurden.
    Harry reagierte lange nicht auf Jakes Frage; er stand da wie gelähmt, als er durch das vergitterte Gartentor schaute. Das Haus war fast gänzlich dunkel, nur aus wenigen Ritzen drang Licht in seltsamen Winkeln aus den Ecken und nicht ganz zugezogenen Vorhängen.
    Dann zuckte der Junge zusammen, blinzelte ins blasse Mondlicht und antwortete hastig: »Warum ich mir die Mühe mache? Das ist leicht, Jake. Es ist, weil ich der Anfang war und ich muss auch das Ende sein ...« Dann zuckte er abermals zusammen und fügte hinzu:
    »Wir können hier nicht bleiben. Das ist das Haus, in dem ich geboren wurde. Mein Stiefvater hat Besuch – Boris Dragosani und Max Batu – und später werde ich sie auch besuchen. Heute ist die Nacht, in der ich sie umgebracht habe. Aber es gibt Dinge, die du nicht sehen darfst, noch nicht.«
    »Du ... du hast sie umgebracht?« Jetzt fühlte Jake, dass die Kälte nicht nur physisch war, falls sie es je gewesen war.
    »Das werde ich«, antwortete der andere. »Aber ich will es nicht sehen und ich will auch nicht, dass du es siehst. Deshalb müssen wir jetzt gehen. An einen anderen Ort und in eine andere Zeit. Bist du bereit?«
    »Habe ich eine Wahl?«
    »Du kannst immer aufwachen, aber ich würde es dir nicht empfehlen! Es war schwer genug, dieses Mal in dich zu dringen. Und wenn du so viel Angst hast wie ...«
    »Angst?«, unterbrach ihn Jake, den sein Stolz übermannte. »Vielleicht habe ich Angst, aber ich bin auch neugierig – sehr neugierig. Ich möchte wissen, wo das hinführt, möchte wissen, worum es genau geht. Und da sie es mir nicht sagen wollen ...«
    »Sie?« (Jetzt war es an Harry zu unterbrechen.)
    »Ben Trask und seine Leute«, antwortete Jake.
    »Ah!«, sagte Harry und nickte verständnisvoll, während sich ein Lächeln auf sein Gesicht stahl. »Ich hätte es wissen sollen. Tatsächlich glaube ich, dass ich es wusste. Du hast ›sie‹ bereits vorher erwähnt und ganz offensichtlich war die Zentrale des E-Dezernats der Ort, an den ich dich damals schickte, als ich zum ersten Mal auf dich aufmerksam wurde. Aber das war damals und jetzt ist jetzt und wir müssen fortfahren. Da dies so viele Jahre mein Zuhause war, werden wir wahrscheinlich dorthin zurückkehren. Aber ... ich habe mich im Timing um Jahre vertan und weiß nicht warum. Es muss mein Gedächtnis sein, das nicht vollständig funktioniert. Weißt du, ich bin unvollständig! Ich bin nicht ganz hier. Eigentlich bin ich nirgendwo ganz! Anscheinend werde ich nur an die stärksten Orte und Zeiten gezogen.«
    »Vielleicht ist es eine Abwandlung eines alten Schemas«, mutmaßte Jake. »Der Mörder, der an den Tatort – zur Tatzeit – zurückkehrt!«
    »Sehr clever«, bemerkte Harry. »Du könntest sogar recht haben – in gewisser Hinsicht. Die Anziehungskraft machtvoller Orte und Zeiten. Ja, das sehe ich ein. Aber ein Mörder?« Er zuckte die Achseln. »Ich kann es nicht leugnen und werde nicht versuchen, es zu erklären, nicht jetzt. Es ist, wie ich sagte: Es ist keine gute Zeit für mich. Deshalb frage ich dich noch einmal ...«
    »Ja«, nickte Jake. »Ich bin bereit, denke ich.«
    »Sehr gut«, nickte der andere. »Dieses Mal werde ich versuchen, einen harmloseren Ort zu erwischen.«
    »Äh, bevor wir gehen«, warf Jake ein, »kannst du mir da ein oder zwei Fragen beantworten? Am besten solange ich noch fest auf meinen Füßen stehe.«
    »Ich bin überrascht, dass du nicht eher gefragt hast«, antwortete Harry, seine Augen immer noch besorgt auf das Haus gerichtet, das er durch die Gitterstäbe des Tores beobachtete.
    »Warum ich?«, fragte Jake. »Warum nicht einer dieser Leute, die du so gut zu kennen scheinst, aus dem E-Dezernat? Sie hätten dich sicher viel eher akzeptiert. Dem, was sie über dich erzählen nach zu urteilen, haben sie eine sehr hohe Meinung von dir.«
    »Aber du bist jung«, sagte der andere. »Du bist stark genug zu akzeptieren, was auch immer kommt. Ben Trask und die anderen sind jetzt alt. Und sie sind nicht scharf auf ...«
    »Ja?«
    »... Vergeltung? Nein, das ist es nicht. Lass uns einfach sagen, sie sind nicht in Schwierigkeiten. Sie tun einfach

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