Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
als wäre es für dich das Einfachste auf der Welt, mich zu töten.«
»Und deshalb schießt du Idiot auf mich?«
Die Zähne zusammenbeißend, humpelte Adam auf ihn zu, wobei er den auf seine Brust gerichteten Lauf ignorierte. Blut färbte den Stoff seiner Hose schwarz, und er presste kurz voller Unglauben die Hand darauf.Vom Dämon war nicht mehr als ein fernes Rauschen wahrzunehmen. Er weigerte sich also, die Einschusswunde zu heilen, aber davon würde Adam sich nicht einschüchtern lassen.
»Hast du denn noch nie gehört, was man über verletzte Raubtiere sagt, Adalbert? Eine Verletzung macht sie nicht nur wütend, sondern vor allem unberechenbar.«
Adalbert riss seine Augen vor Schrecken weit auf und wollte bereits ein weiteres Mal den Finger am Abzug krümmen, doch Adam war schneller. Er lenkte den Lauf zur Seite, so dass die Kugel in einen Pinienstamm einschlug. Dann drängte er den Diener mit voller Wucht gegen den Wagen, wobei dessen
schmerzerfülltes Keuchen Musik in seinen Ohren war. Einen Atemzug lang fühlte er der Möglichkeit nach, diesen menschlichen Körper zu zerbrechen, um seine Rachegelüste zu befriedigen. Doch ehe das Bedürfnis überhandnehmen konnte, ließ er von ihm ab.
Adalbert sackte ein Stück in sich zusammen und griff nach seinem Krawattenknoten, um ihn zu lockern. »Das war unnötig«, sagte er atemlos.
Allerdings war Adam noch nicht fertig. Betont langsam hob er die Hand und verpasste dem Mann eine schallende Ohrfeige, wobei seine Finger eine Blutspur auf dem schreckensbleichen Gesicht hinterließen.
»Glaub mir, das ist mehr als nötig gewesen. Auf Augenhöhe … in hundert Jahren nicht.«
Fast sah es so aus, als würde Adalbert in ein hysterisches Geschrei ausbrechen, doch mehr als ein Beben der Unterlippe kam nicht heraus. Adam nahm ihm den Revolver ohne große Mühe ab und steckte ihn hinten zwischen Gürtel und Hosenbund. Dann schubste er Adalbert hinter das Lenkrad und ließ sich selbst in den Beifahrersitz sinken, kurz bevor sein Bein ganz wegknickte.
Der Herr lässt sich also fahren? , erklang es hämisch aus unausgeloteten Tiefen seines Inneren. Was bricht deinen Stolz wohl mehr: ein schlichtes »Bitte«, damit ich diese hässliche Wunde heile, oder zum zweiten Mal an diesem Tag den Beifahrer zu mimen?
»Ich hoffe, du fährst nicht so armselig, wie du angreifst«, knurrte Adam Etiennes Zögling an, der sich unablässig die Wange rieb und die Blutspur dabei so verteilte, dass es wie eine Kriegsbemalung aussah.
»Sollten wir nicht erst einmal über den Handel sprechen, den ich dir anbieten möchte?«
»Eine großartige Idee, nachdem du soeben wild herumgeschossen hast. Mrs Calvinston mag vielleicht nicht mehr die
Jüngste sein, aber sie ist keineswegs taub. Was glaubst du, wie schnell nach dieser Nummer ein Streifenwagen vor dem Hotel auftaucht, um nach dem Rechten zu sehen? Und dann sitzen wir beide hier palavernd in einem Wagen, in dessen Kofferraumdeckel ein Einschussloch prangt. Einmal ganz davon abgesehen, dass diese verfluchte Wunde den Sitz vollblutet.«
Den letzten Satz hätte Adam sich sparen können, denn Adalbert warf den Motor an und wirbelte beim überhasteten Wendemanöver jede Menge Staub auf. Als er am Ende der Einfahrt die Kurve so schnitt, dass Adam gegen die Beifahrertür gepresst wurde, brachte er ihn mit einer Drohung zur Räson, bei der Adalberts Eingeweide die Hauptrolle spielten. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde der junge Mann die Nerven verlieren - gefangen zwischen der Furcht vor der Polizei und der direkten Bedrohung auf dem Beifahrersitz -, dann siegte glücklicherweise seine Vernunft.
»Ich kann mir wirklich nicht erklären, warum Etienne ausgerechnet an dir einen Narren gefressen hat«, murmelte Adam, wobei er nach Adalberts Krawatte griff. Unter der Berührung stieß der Diener ein angsterfülltes Keuchen aus. »Keine Sorge, nur eine kleine Leihgabe. Ich habe meine in der Eile vergessen.« Mit dieser Erklärung zog er die Krawatte ab, um damit seinen Oberschenkel abzubinden. Die Blutung machte ihm nämlich mehr zu schaffen, als er sich einzugestehen bereit war.
Nach einiger Zeit ließ Adalberts Anspannung merklich nach: Die Fingerknöchel traten nicht länger weiß hervor, weil er den Griff ums Lenkrad nach und nach lockerte, anstatt es so zu halten, als hinge sein Leben davon ab. Auch seine Atmung beruhigte sich, wie Adam dankbar feststellte. Ein rascher, abgehakter Atemrhythmus befeuerte nämlich seinen
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