Nachtglut: Roman (German Edition)
dieses Vertrauen tatsächlich verdiente, oder ob sie naiv war oder die Klatschmäuler vielleicht doch recht hatten. Konnte ja sein, daß die junge Witwe eine ganz heiße Nummer war, die den alten
Delray hergenommen hatte, bis er es nicht mehr schaffte – und seinen Platz jetzt dieser flotte Knabe einnahm.
Eigentlich machte sie nicht den Eindruck – aber es wäre nicht das erstemal, daß Ezzy sich irrte.
34
S ie kamen kurz nach Tagesanbruch, zu zweit. In knapp sitzenden braunen Uniformen und glänzend gewichsten Stiefeln. Breitkrempige Hüte und Sonnenbrillen mit Spiegelgläsern ließen kaum etwas von ihren Gesichtern sehen. Bis auf die strengen schmalen Münder.
»Mr. Sawyer?«
Jack hatte den Wagen gehört und seine Arbeit niedergelegt, um sie zu empfangen.
»Ja?« Er lehnte sich auf den Griff des Spatens, mit dem er ein Loch für eine neue Befestigung der Futterraufe in der Pferdekoppel ausgehoben hatte.
Schon jetzt war es sengend heiß, und der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Als er zur Gesäßtasche seiner Jeans griff, um ein Taschentuch herauszuholen, fuhr beiden Polizisten die Nervosität in die Glieder. Der eine senkte gar die Hand zu der Pistole, die er an der Hüfte trug. Jack tat so, als bemerkte er nichts. Er schüttelte das Taschentuch aus und wischte sich über die Stirn.
»Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«
»Wir kommen vom Sheriff’s Office Blewer County.«
»Ja?«
»Und hätten Ihnen gern ein paar Fragen gestellt.«
»Worüber?«
»Wir haben gehört, daß bei dem verstorbenen Mr. Corbett letzte Woche ein paar Rinder vergiftet worden sind.«
»Ja, ich war bei ihm, als er sie gefunden hat«, gab Jack Auskunft. »Drei waren es. Und am nächsten Tag sind noch zwei eingegangen.«
»Dr. Andersen sagte, es habe sich um ein Gift gehandelt, das man überall ohne Rezept kaufen kann.« Der eine Deputy schob einen Klumpen Kautabak von einer Backentasche in die andere. »Leicht erhältlich also. Nichts Raffiniertes. Aber stark, wenn’s jemand drauf anlegt, Schaden anzurichten.«
»Und Ihre Behörde ermittelt in der Sache?«
»Stört Sie das, Mr. Sawyer?«
»Nein. Ich habe Delray damals geraten, Anzeige zu erstatten. Er war anderer Meinung.«
»Gab es Zeugen, wie Sie ihm das geraten haben?«
»Nein, wir waren allein.«
»Hm.«
»Was, meinen Sie, war der Grund, daß es unter allen Betrieben hier einzig Mr. Corbetts Ranch erwischt hat?«
»Keine Ahnung.«
»Was würden Sie denn vermuten?«
Jack lehnte den Spaten an die Futterraufe. »Ich würde vermuten, daß jemand Delray eins auswischen wollte.«
»Wer zum Beispiel.«
»Ich bin nicht von hier und auch noch nicht lange in der Gegend.»
»Und deshalb haben Sie keine Ahnung?«
Jack schwieg.
Der Jüngere der beiden musterte ihn argwöhnisch und lupfte sein Holster. »Erst gestern haben wir die Ermittlungen aufgenommen. Corbett hat uns nicht geholt. Wir hätten gar nichts von der Sache erfahren, wenn nicht von jemandem ein Tip gekommen wäre. Einem besorgten Bürger. Auf seine Meldung hin haben wir den Tierarzt angerufen, und von ihm stammen unsere Informationen.«
Jack sah verwundert von einem zum anderen, obwohl er genau wußte, warum sie hier waren. »Und?« fragte er.
»Und –« der Tabakskauer machte eine kurze Pause, um einen Strahl Saft auszuspeien – »wir möchten Sie bitten, mit
uns in die Stadt zu fahren, damit wir uns eingehender über die Sache unterhalten können.«
»Bin ich verdächtig?«
»Sie genau wie jeder andere.«
»Aber mich nehmen Sie fest!«
»Das ist keine Festnahme.«
»Was ist es dann?«
»Wir bitten lediglich um Ihre Mitarbeit, sonst nichts.«
»Aber mir wäre wohler«, fügte sein Kollege hinzu, »wenn Sie das Messer abnehmen und mir geben würden.«
Mit langsamen Bewegungen löste Jack die Messerscheide von seinem Gürtel. Einer der beiden Beamten trat vor und nahm sie ihm ab.
»Sie machen einen Fehler«, bemerkte Jack.
»Kann sein, aber Sie werden uns trotzdem begleiten, Mr. Sawyer!«
»Wie steht es mit meinem Pick-up?«
»Wir haben genug Platz in unserem Wagen!«
»Bitte. Es kann ja einer von Ihnen zu mir einsteigen. Ich würd gern mein eigenes Fahrzeug nehmen. Dann brauch ich
Sie später, wenn die Sache aufgeklärt ist, nicht zu bemühen.«
Sie tauschten einen Blick. Der Ältere mit dem Kautabak nickte. »Okay. Ich fahr mit Ihnen.«
Es war demütigend genug, sich von zwei grimmig dreinblickenden Deputies abführen lassen zu müssen; das Schlimmste aber war, daß Anna
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