Nachtglut: Roman (German Edition)
diese Killer fassen und vor Gericht bringen«, versicherte der aufgewühlte Leiter der örtlichen Polizeidienststelle, der die Hälfte seiner Truppe verloren hatte, als zwei seiner vier Beamten die Verbrecher stellen wollten. »In dieser Stadt erschießt niemand ungestraft einen Polizisten.«
Die Herbolds und ihre Komplizen, hieß es, seien bewaffnet und äußerst gefährlich.
Ezzys Chili wurde kalt, während er sich Einzelheiten über die Großfahndung anhörte, die sich über ganz Arkansas, den Nordwestzipfel von Louisiana und das nordöstliche Texas erstreckte.
Danach gab der Berichterstatter vor Ort zurück zum Moderator der Nachrichtensendung, der einen Psychologen einführte. Dr. Soundso hielt den Zuschauern einen monotonen Vortrag über die traumatische Wirkung, die derartige Gewalttaten bei Zeugen und den Angehörigen der Opfer zu hinterlassen pflegten.
Ezzy schaltete den Ton ab und starrte auf die stummen Bilder, während er mechanisch das kalte Essen löffelte. Auf den Vortrag des Psychologen folgte ein Werbespot für Windeln, danach führte eine strahlende Frau Saubermann der neidischen Nachbarin ihre wiesenfrische Toilette vor.
In Ezzy rumorte es. Er schnaubte und stampfte innerlich wie ein altes Schlachtroß. Vergessen war sein jüngster Entschluß. Binnen Sekunden wurde er vom potentiellen Stubenhocker zum energiegeladenen Mann der Tat.
Er war der erste Gesetzesvertreter gewesen, der mit den Herbolds zu tun bekommen und sie hinter Gitter gebracht hatte. Jetzt suchte man sie in einem Nachbarstaat wegen
eines Gewaltverbrechens, und sie befanden sich auf der Flucht.
Carl und Cecil waren üble Burschen gewesen. Psychologen würden ihre Bosheit wahrscheinlich dem Fehlen des Vaters während ihrer Entwicklungsjahre zuschreiben, der Schwäche und Passivität der Mutter, der unerbittlichen Strenge des Stiefvaters – der sich zwar bemüht hatte, sie zu erziehen, aber ohne Liebe. War es ein Wunder, daß sie schon als Jungen den Teufel im Leib gehabt hatten?
Aber jetzt waren sie Männer. Für sich und ihr Handeln verantwortlich… böse und gemein, weil es ihnen gefiel. Nach dem heutigen Raubüberfall und den Morden hatten sie nichts mehr zu verlieren. Und solche Leute waren die allergefährlichsten. Die Herbolds mußten gefaßt werden, bevor sie zusätzliches Unheil anrichten konnten.
Mit einem Sprung war Ezzy auf den Beinen. Er trug seinen Teller in die Küche und ließ kaltes Wasser darüberlaufen. Die fettige Chilisoße gerann augenblicklich zu orangefarbenem Wachs, aber Ezzy ließ den Teller so im Spülbecken stehen.
Er nahm seinen Hut und saß Sekunden später in seinem Wagen, so entschlossen und zielbewußt wie nie mehr, seit man ihm nahegelegt hatte, in den Ruhestand zu treten.
Der Dienstraum im Sheriff’s Department war leer bis auf einen Beamten, der das Telefon bediente. Er begrüßte Ezzy lächelnd, als dieser hereinkam. »Hallo, Ezzy! Was führt Sie denn her?«
»Hallo, Souder. Wie läuft’s denn so?«
»Und wie schmeckt das Rentnerdasein?«
»Geht so.«
»Muß man sich wahrscheinlich erst dran gewöhnen.«
»Stimmt. Ist Ihr neuer Chef da?«
»Ja – gerade vom Mittagessen zurück«, informierte Souder ihn. »Mit einem Stück Kokoscremekuchen.«
»Meinen Sie, ich stör, wenn ich mal kurz bei ihm reinschaue?«
»Sie wissen ja, wo die Tür ist.«
Ezzy klopfte höflich. Sheriff Ronald Foster sah von seinem Stück Kuchen auf, leckte sich Creme aus dem Mundwinkel und winkte Ezzy herein. Er war einer dieser Studierten, die immer aussahen wie aus dem Ei gepellt. Die Wahl zum Sheriff hatte er mit großer Mehrheit gewonnen, weil er wie ein Ringer gebaut war und ein entschlossenes, vertraueneinflößendes Auftreten besaß. Foster war ein aufrechter Bürger, Familienvater mit einer hübschen Frau und drei Kindern; er leistete Gemeindearbeit bei den Baptisten, denen er angehörte. Die scharfen blauen Augen funkelten zweierlei zugleich: ›Ich liebe Jesus‹ und ›Legen Sie sich mit mir nicht an‹. Er hatte einen Haarschnitt wie ein Marine, und wenn Ezzy sich nicht täuschte, bildete er sich ein, weit taffer zu sein, als er tatsächlich war.
Wenn Ezzys unangemeldeter Besuch ihn störte, so ließ er sich jedoch aus Höflichkeit nichts anmerken. Sein Händedruck war fest und herzlich.
»Setzen Sie sich, Ezzy. Setzen Sie sich. Möchten Sie was von dem Kuchen?«
»Nein, danke. Aber er sieht gut aus.«
»Ich hab noch nie erlebt, daß Lucy einer mißlungen ist.«
Nachdem Ezzy sich
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