Nachtglut: Roman (German Edition)
fiel er auf die Knie und schlug die Arme über dem Kopf zusammen. In einer Anwandlung lobenswerter Tapferkeit zum falschen Zeitpunkt, sprang der Bankwächter auf. Myron mähte ihn mit der Ladung aus dem zweiten Lauf nieder.
»Gottverdammich!« zischte Carl, offensichtlich angewidert von den Blutströmen, die über den Marmorboden flossen. »Los, lad nach, Myron.«
»Okay, Carl.«
Cecil zog den Reißverschluß des Matchsacks zu. »Fertig. Jetzt nichts wie raus hier.«
»O nein!«
Connie, die Bankangestellte, hielt plötzlich eine Pistole in beiden Händen – aber ihre Worte waren nicht an Cecil, Carl oder Myron gerichtet, sondern an den zweiten Polizisten, der seinen Mut wiedergefunden hatte und zur Waffe greifen wollte.
Connie, die Bankangestellte, schoß ihn mitten ins Herz.
28
E zzy goß die Grünpflanze am Wohnzimmerfenster. Die Usambaraveilchen hatte er aufgegeben. Die waren hinüber. Was die Wohnzimmerpflanze anging, so hatte er nicht die blasseste Ahnung, wie sie hieß und wieviel Wasser sie brauchte. Vielleicht hatte er sie schon zu Tode gegossen. Aber Cora würde bei ihrer Heimkehr das Verscheiden der Usambaraveilchen vielleicht gelassener hinnehmen, wenn wenigstens eine ihrer Pflanzen überlebt hatte.
Nie gestattete Ezzy sich den Gedanken, Cora könnte nicht heimkehren.
Insgesamt versuchte er, positiv zu denken. So hatte er sich auch kaum Niedergeschlagenheit über die gestrige vergebliche Fahrt zu Parker Gee gestattet. Mit dem Besuch bei dem Sterbenskranken war ein Tag herumgegangen; insofern hatte er sich für Ezzy gelohnt.
Und auch insofern, als er nun endlich zu einem Entschluß gelangt war: Er würde den Fall McCorkle ad acta legen. Weg damit. Aus und vorbei. Zweiundzwanzig Jahre lang hatte er sich im Kreis gedreht. Das müßte, verdammt noch mal, genügen. Er wollte sein Leben zurückhaben – und seine Frau auch. Also, vergiß Patsy McCorkle!
Heute morgen war er mit frischer Entschlossenheit erwacht, sich die ganze Geschichte ein für allemal aus dem Kopf zu schlagen. Natürlich bildete er sich nicht ein, daß das so einfach werden würde. Sich von einer Sucht zu befreien, die man zweiundzwanzig Jahre lang genährt hatte, würde Kraft kosten. Am besten, man sorgte dafür, ständig beschäftigt zu sein. Deshalb war er von Zimmer zu Zimmer gewandert
und hatte versucht, sich der tausend kleinen Aufträge auf Coras »Schatz, könntest du mal«-Liste zu erinnern, zu deren Erledigung er nie gekommen war.
Bisher hatte er das Kabel der Stehlampe im Wohnzimmer repariert; die Scharniere der Hintertür geölt; die Rollen unter den Sofabeinen ausgetauscht; und festgestellt, daß er es nie im Leben schaffen würde, das Klappern des Deckenventilators im Schlafzimmer zu beseitigen. Er hatte einen Elektriker bestellt, um das richten zu lassen.
Leider war Cora eine äußerst gewissenhafte Hausfrau, so daß ihm bald die Arbeit ausging.
Nachdem er die namenlose Pflanze gegossen hatte, schlug die Langeweile gnadenlos zu. Hatte er Hunger? Vielleicht. Sollte er zum Mittagessen ins Busy Bee rübergehen? Immer dieselben Leute. Immer dieselben neugierigen Fragen. Nein, danach war ihm wirklich nicht zumute.
Er machte sich eine Dose Chili warm und setzte sich mit wohlgefülltem Teller und einer Handvoll Kräckers ins Wohnzimmer. Damit es nicht ganz so still und tot war, schaltete er den Fernsehapparat ein; dann nahm er eine alte Ausgabe von Reader’s Digest zur Hand.
Mitten in der Geschichte von einem Mann, den ein Wal verschluckt hatte wie einst den biblischen Jona, begannen die Mittagsnachrichten. Das zentrale Thema bildete ein Banküberfall, bei dem zwei Polizeibeamte, ein Bankwächter und ein Kunde der Bank getötet worden waren. Die Räuber seien mit einem hohen Geldbetrag, der nicht näher angegeben wurde, entkommen. Bei der Bank, die zu einer kleinen Gemeinde gehörte, hatten an diesem Freitag die Lohngelder der nahe gelegenen Reifenfabrik auf ihre Abholer gewartet.
Dank den Überwachungskameras war es gelungen, die Räuber als die flüchtigen Sträflinge Myron Hutts und Carl Herbold sowie dessen Bruder Cecil zu identifizieren, der, bedingt haftentlassen, in der kleinen Stadt lebte und arbeitete.
Mitbeteiligt an dem Raubüberfall war eine Bankangestellte
namens Connie Skaggs. Die zweiunddreißigjährige geschiedene Frau ohne Kinder, die von einem Mitarbeiter als ›ganz normale Person‹ beschrieben wurde, hatte, wie das Videoband zeigte, eigenhändig einen der Beamten erschossen.
»Wir werden
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