Nachtglut: Roman (German Edition)
verdient. Sie sollten jede freie Minute genießen. – Außerdem«, fügte er mit einem leisen Lachen hinzu, »würde Ihre Frau mir nie verzeihen, wenn ich Sie wieder aktiv einsetzte.« Mit einem herzhaften Schlag auf die Schulter drängte er Ezzy zur Tür hinaus, die er bereits geöffnet hatte. »War ein Vergnügen, Sie zu sehen! Danke, daß Sie vorbeigekommen sind.«
Mit gedämpftem Knall wurde die Tür geschlossen. Ezzy sah zu dem Mann am Telefon hinüber. Der senkte hastig den Blick auf seine Papiere, als genierte er sich für den alten Mann, der nicht wußte, wann Schluß war.
Mit aller Würde, die er noch aufbringen konnte, setzte Ezzy seinen Hut auf. »Wir sehen uns, Souder.«
»Klar, Ezzy. Bis bald mal!«
Niedergeschlagen trottete Ezzy den Bürgersteig entlang, wünschte, er könnte die Uhr zurückdrehen und seinen Entschluß, hierherzukommen und sich als Helfer anzubieten, noch einmal überdenken.
Klar hätte es das träge alte Blut wieder in Wallung gebracht, bei einer Großfahndung über drei Staaten dabeizusein. Mit den Jungs auf der Lauer zu liegen, dumme Witze zu reißen, um die Langeweile und den Schiß zu vertreiben, becherweise scheußlichen Kaffee zu trinken – es war ein verlockender Traum gewesen.
Aber das war’s gar nicht, was ihn so beflügelt hatte. Vor allem flüsterte eine Stimme in seinem Innersten, wenn er jetzt dazu beitrüge, die Herbolds zu schnappen – mochte sein Beitrag auch noch so geringfügig sein –, könnte er vielleicht wiedergutmachen, was er beim erstenmal vermasselt hatte.
Aber so lief das nicht im Leben. Er hätte es besser wissen müssen. Wenn man das eigene Team um die Meisterschaft brachte, weil man den entscheidenden Ball nicht fing, konnte man sich später auch als Held entpuppen: Man würde den Leuten trotzdem vor allem wegen dieses Patzers in Erinnerung bleiben.
Mit seinem Besuch bei Foster hatte er sich nur selbst gedemütigt. Er konnte es seinem Nachfolger nicht verübeln, daß er seinen Vorschlag abgelehnt hatte. Der war ja wirklich nicht praktikabel. Und der neue Sheriff hatte sich mit äußerstem Takt ausgedrückt, aber im wesentlichen doch gemeint: Sie werden nicht mehr gebraucht, Ezzy.
Schluß, aus, Amen.
29
I n Six Flags gibt’s eine Achterbahn, wo man zweimal richtig auf dem Kopf steht. Mama findet, daß ich noch zu klein bin, um damit zu fahren … aber das stimmt gar nicht, was sagst du, Jack?«
»Die haben da sicher ein Schild mit einem Hinweis, wie groß man sein muß.«
»Ich bin bestimmt groß genug.«
»Du wirst eine Menge Spaß haben.«
»Kannst du nicht auch mitkommen, Jack?«
»Nein, leider nicht. Möchtest du dein Dinosaurierbuch mitnehmen? Für die Zeit, wo du nicht in Six Flags bist.«
»O ja, gut!«
Jack legte das Buch auf die gefalteten Shorts und T-Shirts im Koffer. Er überflog die Liste, die Marjorie Baker ihm am Telefon diktiert hatte. »So, das ist alles. Aber wir machen ihn erst zu, wenn deine Mama wieder da ist. Vielleicht fällt ihr in letzter Minute noch was ein.«
Marjorie Baker hatte in Annas Auftrag mit der guten Nachricht angerufen, daß man Delray noch an diesem Abend mit dem Hubschrauber nach Dallas fliegen werde. Anna und David wollten am Morgen mit dem Wagen nachfahren. Marjorie hatte sich entgegenkommenderweise angeboten, Anna zu begleiten, um ihr über eventuelle Verständigungsschwierigkeiten im Krankenhaus hinwegzuhelfen und gegebenenfalls auf David aufzupassen.
David erwartete sich ein großes Abenteuer. Wenn er im Krankenhaus geduldig sei und nicht quengle, hatte Anna gesagt, würde sie mit ihm zur Belohnung einen Ausflug in den
Vergnügungspark im benachbarten Arlington machen, dessen Attraktionen David durch Fernseh- und Zeitungsreklame bereits bestens vertraut waren. Natürlich hatte David den ganzen Nachmittag und Abend von nichts anderem mehr gesprochen.
Jacks Achtung vor Müttern war im Laufe dieses Tages beträchtlich gestiegen. Wer es schaffte, bei dieser Aufgabe Tag für Tag Liebe und Geduld zu bewahren, verdiente wirklich einen Heiligenschein! Er war müde und besorgt um Anna, die nach Einbruch der Dunkelheit allein vom Krankenhaus nach Hause fahren mußte. Deshalb schlug er David vor, zeitig zu Bett zu gehen. »Dann bist du morgen für die Fahrt richtig fit.«
»Aber ich bin überhaupt nicht müde«, protestierte der Junge. »Ich muß immer erst ins Bett, wenn der kleine Zeiger auf der Acht steht.«
Jack gab klein bei. Er hätte sich jetzt liebend gern aufs Ohr gelegt. Die
Weitere Kostenlose Bücher