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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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ausgesucht hatte. Dann setzte er sich wieder an seinen Platz ihr gegenüber.
    »Möchten Sie was essen?«
    Sie schüttelte den Kopf, rührte geistesabwesend ihren Tee um und trank ein paar Schlucke, bevor sie ihn wieder ansah. Er schob ihr den Zettel mit den Angaben für den vereinbarten Termin beim Bestattungsinstitut hinüber. Sie las ihn und nickte kurz.
    »Mrs. Baker hat berichtet, daß sie fast eine halbe Stunde lang versucht haben, Delray zurückzuholen.«
    Sie schrieb: »Ja, sie haben getan, was sie konnten. Aber sie haben es nicht geschafft.«
    »Ach Anna, es tut mir so leid.«
    Ihr Gesicht zuckte. Sie begann zu weinen. Jack schob seinen Stuhl zurück, um zu ihr zu gehen, aber sie wehrte ihn mit erhobenen Händen ab.
    Er setzte sich wieder. »Was war die Ursache für den Infarkt? Cecils Besuch?«
    Sie trocknete ihre Tränen und schrieb: »Vielleicht.«
    »Ist die Geschichte von dem Banküberfall heute morgen im Krankenhaus bekanntgeworden?« Als sie müde nickte, fragte Jack: »Glauben Sie, Delray hat davon gehört?«
    Sie zog die Schultern hoch und schrieb dann: »Ich glaube nicht. Aber er machte sich ohnehin schon große Sorgen. Er ist nicht friedlich gestorben.«
    Jack sah sie fragend an.
    Dem schon Geschriebenen fügte sie hinzu: »Ich glaube nicht, daß er von dem Raubüberfall wußte – aber er hatte
Angst davor, was Cecil und Carl vielleicht anstellen würden. Als er starb, hatte er noch keine Ruhe gefunden. Er sorgte sich wegen der Herbolds, und er sorgte sich um die Ranch, um den Kredit, den er aufgenommen hatte, und um Davids Zukunft.«
    Als sie aufblickte, sagte Jack: »Ganz gewiß auch um Sie.«
    »Wieso um mich? Hat Delray mit Ihnen über mich gesprochen?«
    Plötzlich war sie erregt. Er sah es an dem dicken Strich, den sie unter das »Mich« gesetzt hatte.
    »Nicht ausführlich, Anna. Er hat nur angedeutet, daß er Ihnen gegenüber vielleicht nicht fair war.«
    Mit gerunzelter Stirn schrieb sie: »Inwiefern?«
    »Äh…« Er hatte sich selbst in die Ecke gedrängt und wußte nun nicht, was er sagen sollte. Delray hatte ihm gegenüber ja nicht mit Worten gesprochen, daß seine Art, Anna so ganz mit Beschlag zu belegen, unfair gewesen war. Er hatte es durchblicken lassen, aber Jack konnte einem Toten nicht einfach irgendwelche Worte in den Mund legen.
    Anna kritzelte auf den Block und drehte ihn herum. »Sie wissen überhaupt nichts darüber.«
    »Ich weiß, daß er Sie liebte!«
    Blitzartig sprang sie auf und lief aus der Küche. Jack warf beinahe seinen Stuhl um, als er ihr nacheilte. Sie rannte zur Haustür hinaus und schlug sie hinter sich zu. Ohne sich davon abschrecken zu lassen, folgte Jack ihr auf die Veranda. Sie stand an einen der Pfosten gelehnt, die Wange an das Holz gedrückt.
    Jack umfaßte ihre Schultern und drehte sie herum. Sie wehrte sich, aber er ließ nicht los. »Natürlich hat er Sie geliebt, Anna. Das brauchte er mir gar nicht zu sagen. Jeder Blinde konnte es sehen.«
    Sie antwortete mit einer kurzen, brüsken Gebärde.
    Hilflos zuckte Jack die Achseln. Sie buchstabierte. »Woher?«
    »Woher ich weiß, daß er Sie geliebt hat? Weil er Ihre Situation hätte ausnützen können, es aber unterließ.«
    Jetzt war Anna diejenige, die nicht verstand.
    »Okay, dann werde ich eben deutlicher. Sie mußten nicht mit ihm dafür schlafen, daß er Ihnen hier ein Zuhause bot. Das kann alle möglichen Gründe gehabt haben, Schüchternheit, moralische Grundsätze, weiß der Himmel, was. Aber ich glaube, daß Delray Sie zu sehr geliebt hat, um mit einem derartigen Antrag Ihre Ehre zu verletzen. Und schütteln Sie jetzt nicht den Kopf, als verstünden Sie nicht, was ich sage. Sie begreifen ganz genau, worum es geht.«
    Anna wandte sich ab und schloß die Augen. Jack schob seine Hand unter ihr Kinn und drehte behutsam ihren Kopf. Sie öffnete die Augen wieder – aber der Blick, mit dem sie ihn ansah, war kalt und unzugänglich.
    »Sie haben ja recht, das alles geht mich nichts an. Aber ich sehe doch Ihre Reaktion.«
    Ihr zorniger Blick sagte: welche bitte?
    »Sie sind dabei, sich Riesenvorwürfe zu machen, weil Sie Delray nicht auf die gleiche Weise geliebt haben, wie er Sie.« Er drückte ihre Schultern. »Tun Sie das nicht, Anna. Sie haben überhaupt keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Schließlich haben Sie ihm vieles geopfert. Ihre Ausbildung. Die Fotografie. Ein Leben unter Menschen. Sogar die Sprache. Delrays Liebe konnten Sie nicht erwidern. Er hat das gewußt. Und gerade deshalb

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