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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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das war wirklich, undenkbar und doch wahr, und sie musste es dringend verstehen.
    Sie drehte sich wieder zu dem Fenster um, zögerte, zog die Stoffbahnen auseinander und sah den Innenhof so, wie er sein sollte. Die Schornsteine wurden durch den prächtigen Glanz einer ausgedehnten Zivilisation von hinten angestrahlt, einer Zivilisation, die bisher kein Gewitter und keine menschliche Torheit hatten ausrotten können. Als sie erleichtert ihren angehaltenen Atem ausstieß, nahm sie vor dem Fenster etwas wahr, das vom Fenstersims aus über die Glasscheiben und die dicken bronzenen Sprossen kroch.
    Die Kreatur auf dem Sprossenfenster, die in dem aufsteigenden Licht der Lampen im Innenhof, aber vor allem durch das Licht in diesem Zimmer deutlich zu sehen war, war noch fremdartiger als die Ungeheuerlichkeit, die vorhin an der Tür des Ankleidezimmers vorbeigekrochen war. Sie hatte die Form und die Größe einer Servierplatte für einen großen Fisch und sah so bleich und verwest aus wie ein Geschöpf, das den Tod durch Ertrinken gefunden hatte und danach von Sonne und Meerwasser ausgeblichen war. Das Ding bewegte sich auf vier krebsartigen Beinen voran, die jedoch in Füßen endeten, die denen eines Froschs ähnelten, mit Saugnäpfen, die es erlaubten, sich bedenkenlos an vertikale Flächen zu klammern. Sparkle konnte nur die Bauchseite sehen, ahnte aber, dass dieses Geschöpf dick war, vielleicht zwölf bis fünfzehn Zentimeter dick.
    Der beunruhigendste Aspekt der Erscheinung war das Gesicht auf der Unterseite, also dort, wo ein Gesicht niemals sein sollte: ein deformiertes ovales Antlitz, das trotz seiner verzerrten Züge eher menschlich wirkte. Der Ausdruck, zu dem diese Miene verzerrt war, schien eine Mischung aus Wut und Leid zu sein. Dieses grässliche Geschöpf war mindestens so faszinierend wie abstoßend, und daher stellte Sparkle fest, dass sie sich trotz ihrer Angst zum Fenster vorbeugte, von dem Drang getrieben, sich zu bestätigen, dass dieses Gesicht keine Illusion war, die ihr Licht und Schatten vorgaukelten. Die Augen waren geschlossen, doch als sie die gequälte Miene anstarrte, hoben sich die bleichen Lider und entblößten milchige Augäpfel. Obwohl diese Augen von starken Katarakten verschleiert zu sein schienen, hatte sie das sichere Gefühl, sie seien durch die Glasscheibe auf sie gerichtet und sie würde von dieser abscheulichen Kreatur betrachtet – eine Überzeugung, die sich zu bestätigen schien, als der schmallippige Mund aufging und eine bleiche Zunge das Glas ableckte.
    * * *

Bailey Hawks
    Ihm war nicht wohl dabei, Sally Hollander allein zu lassen, obgleich sie sich nach der Behaglichkeit und Abgeschiedenheit ihrer eigenen Wohnung gesehnt hatte. Die flinke dunkle Gestalt, die er gesehen hatte, und der bedrohliche Schwimmer im Pool waren mit Sicherheit Manifestationen desselben »Dämons«, der im Geschirrkabinett der Cupp-Schwestern an ihr vorbei gestürzt war. Ganz gleich, was im Pendleton vorging, ob es übernatürlich war oder nicht – alles wies darauf hin, dass Abgeschiedenheit nicht ratsam war.
    Andererseits hatte Bailey sich mühelos befreien können, obwohl er bei seiner Flucht aus dem Pool am Knöchel gepackt worden war. Und auch Sally war ja nicht verletzt worden; sie hatte nur einen Schrecken eingejagt bekommen. Diese Phantasmen schienen böswillige Absichten zu haben, aber vielleicht besaßen sie nicht die Kraft, die Gewalttätigkeiten zu begehen, nach denen sie lechzten. Das wiederum schien sie in die Gruppe der Gespenster einzureihen, die spukten, aber keinen Schaden anrichten konnten.
    Bailey glaubte nicht an Gespenster, aber er hatte keine andere Schablone, die er anlegen konnte, um diese Situation zu verste hen: Geister, Gespenster, Schemen, Dinge, die nachts krakeelten. Wenn es nichts dergleichen war, konnte er sich nicht vorstellen, was es sonst sein mochte.
    Nachdem er Sally in der 1-C abgeliefert hatte, nahm er anstelle des nördlichen Aufzugs die Treppe in den ersten Stock. Als Teil seines Fitnessprogramms mied er häufig Aufzüge. Der umschlossene runde Treppenaufgang stammte noch aus dem ursprünglichen Belle Vista; er war keine der Ergänzungen im Zuge des Umbaus in Eigentumswohnungen im Jahre 1973. Die polierten Marmorstufen waren tief und das verschnörkelte Bronzegeländer an der Innenseite war ein Beispiel für die erlesenste Handwerkskunst des neunzehnten Jahrhunderts, die sich heute nur zu horrenden Preisen nachempfinden ließ. Als er die Treppe hochstieg,

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