Nachthaus
auf, als atme jemand an einem winterlichen Morgen aus.
Die phosphoreszierende Form an der Decke wurde dunkel. Im hellen Schein der Taschenlampe funkelten die schwebenden Partikel wie Diamantstaub. Also doch keine Dämpfe. Diese Partikel waren zu groß, um die Komponenten von Dunst zu sein, so groß wie Salzkristalle – manche sogar größer –, und doch waren sie offensichtlich leicht, denn sie schwebten durch die Luft. Sporen.
Instinktiv hielt Logan Spangler den Atem an. Er befürchtete jetzt nicht mehr, die schlangenartigen Formen könnten sich von den Wänden lösen, Fangarme ausstrecken und ihn abrupt an sich reißen. Stattdessen machte er sich Sorgen, die Wolke von Sporen würde das tun, worauf es Sporen immer abgesehen hatten: Kolonien bilden . Er steckte seine Pistole ins Halfter, drehte sich zur Tür um und untersuchte im Schein der Taschenlampe die drei Angeln.
* * *
Vernon Klick
Im Wachraum teilte Vernon Klick seine Aufmerksamkeit nur zwischen zwei der sechs Plasmabildschirme. Einer zeigte ein Vollbild des kurzen Flurs nach Norden im Westflügel des zweiten Stockwerks draußen vor dem nördlichen Aufzug, der andere eine Aufnahme des nördlichen Flurs im selben Stockwerk.
Er hatte beobachtet, wie Logan Spangler, der senile Bulle, vor der Wohnung des beknackten Senators auf die Klingel drückte, er hatte gesehen, wie er jemanden anrief, wahrscheinlich Tom Tran, diesen Arschkriecher von einem Hausmeister, der sich kleidete wie der Ehrengast auf einer Tagung von Computerfreaks, und dann hatte er beobachtet, wie er die Wohnung mit einem Hauptschlüssel öffnete und eintrat. Seitdem wartete Vernon darauf, dass Spangler aus der 3-D herauskam, wo er dem alten Suffkopf Blandon wahrscheinlich neunzig Jahre alten Scotch raubte, den er mit einem Strohhalm aus der Flasche sog.
Vernon Klick war kein geduldiger Mann. Er war dreißig Jahre alt und auf dem Weg nach oben, und jeder, der seinen Aufstieg zu Ruhm und Reichtümern auch nur fünf Minuten verzögerte, hatte sich einen Platz auf der Liste seiner Feinde verdient. Die Liste war lang, zwölf Seiten auf einem linierten A4-Block. Der Tag würde kommen, an dem er die Mittel hatte, jede dieser Personen auf die eine oder andere Weise fertigzumachen, und zwar jeweils so, dass diejenigen genau wussten, wer ihnen etwas heimgezahlt hatte.
Wären die gegenwärtigen Machtverhältnisse und die von ihnen profitierenden zahlreichen verabscheuungswürdigen Speichellecker nicht gewesen, dann wäre Vernon bereits an der Spitze angelangt. Aber Typen wie er hatten schlechte Karten. Er musste dreimal so hart arbeiten wie die, denen die Trümpfe nur so zuflogen, und zehnmal so schlau sein, um den Erfolg zu erringen, den er verdiente. Sogar um dahin zu gelangen, wo er jetzt war, hatte er zahllose Hindernisse aus dem Weg räumen müssen, die ihm die Juden in den Weg gestellt hatten, die Wall-Street-Banker, die ebenfalls Juden waren, die Ölkonzerne, die Republikaner, sämtliche New Yorker Verleger, die sich miteinander verschworen hatten, um außerordentlich talentierte Leute, die die Wahrheit sagten, daran zu hindern, auf dem Markt Fuß zu fassen, die ränkeschmiedenden Armenier, der Staat Israel – der, welch Wunder, von Juden regiert wurde – und nicht zuletzt zwei dumme Vertrauenslehrer an der Highschool, die es wirklich verdient hatten, lebendig an wilde Hunde verfüttert zu werden, sogar noch dreizehn Jahre nach ihrem Verrat.
Vernon stand so dicht davor, sich seinen lang gehegten Traum zu erfüllen, dass der heutige Abend der vorletzte sein würde, den er als Wachmann im Pendleton verbrachte, dieser Kloake der Habgier und der Privilegien, unter all diesen pampigen Weibern und selbstgefälligen Mistkerlen, ganz zu schweigen von alten Hexen wie den Cupp-Schwestern und alten Spinnern wie Silas Kinsley, der der Gesellschaft schon seit Jahren nichts mehr zu bieten hatte und doch weiterhin ihre Mittel verschlang, statt allen einen Gefallen zu tun und abzukratzen. Es gab nur noch zwei Wohnungen, die Vernon erkunden und fotografieren musste, und deren Bewohner hielten sich während des kommenden Wochenendes nicht in der Stadt auf.
Monatelang hatte Vernon erst die Nachschicht geschoben und dann die Abendschicht übernommen, und er benutzte den Universalschlüssel des Sicherheitsteams, um nach Belieben überall in dem Gebäude ein- und auszugehen. In seiner dicken Aktentasche befanden sich eine Kamera und ein zusätzlicher Memorystick, ein Laptop und ein kleines Aufnahmegerät,
Weitere Kostenlose Bücher