Nachthaus
fliederfarbener Seide trug sie ein Abendkleid: schwarze Seide mit einer Lage getüpfeltem schwarzen Chiffon darüber, schwarze und goldene Spitzenbesätze am Halsausschnitt und an der Schleppe des Rocks, geraffte Ärmel mit üppigen Rüschen und eine Schärpe aus schwarzem Samt. Sie hatte sich sowohl mit einer langen Perlenkette geschmückt, die sie zwischen ihren Brüsten geknotet hatte, als auch mit einer Diamanthalskette mit einem Anhänger und passenden tropfenförmigen Ohrringen, und da sie außerdem auch noch weiße Handschuhe trug, sah sie aus, als hätte sie sich für ein Bankett mit der Königin herausgeputzt und nicht für ein vorgekochtes Abendessen mit ihrer Schwester, der miserablen Bridge-Spielerin, das die beiden in der Mikrowelle aufwärmen würden.
»Und wenn erst einmal alle bösen Geister ausgetrieben sind, werde ich die Wohnung segnen lassen«, kündigte Edna an.
»Aber wo willst du einen Exorzisten finden, meine Liebe? Pater Murphy weiß alles über deinen Glauben an Astronauten aus der Vorzeit, an Schattenmenschen und an Hexen unter uns … Er billigt das nicht, kein Geistlicher würde das billigen. Er wird die Würde der Kirche nicht aufs Spiel setzen, indem er einen Exorzisten hinzuholt, denn er weiß sehr gut, dass du, wenn die beiden auftauchen, beschlossen haben wirst, es sei doch kein Dämon gewesen, sondern ein Troll.«
Edna lächelte und schüttelte den Kopf. »Manchmal glaube ich, du hörst mir nie zu, Martha. Ich glaube nicht an Trolle. Trolle gibt es nur in Kindermärchen, sonst nirgends.«
»Du glaubst an Kobolde«, rief ihr Martha ins Gedächtnis.
»Weil es sie gibt. Natürlich gibt es Kobolde. Weißt du, wo unser Kobold meine Lesebrille diesmal versteckt hatte? Ich habe sie endlich im untersten Fach des Kühlschranks gefunden, neben den Fruchtjoghurts. Der kleine Schlawiner.«
»Vielleicht hast du sie selbst dort liegen lassen.«
Edna zog ihre Augenbrauen hoch. »Weshalb um Himmels willen sollte ich das tun? Schließlich mache ich es mir zum Lesen nicht im Kühlschrank bequem.«
Aus einem anderen Teil der Wohnung ertönte Kreischen und Geschrei, das eindeutig nach einer Auseinandersetzung zwischen Katzen klang, obwohl Smoke und Ashes nie miteinander zankten.
»Was ist denn in die beiden gefahren?«, sagte Edna verwun dert. Sie machte kehrt und eilte davon, wobei die kurze Schleppe ihres Abendkleides über den Boden rauschte.
* * *
Sparkle Sykes
Als die Zunge aus dem verzerrten Gesicht auf der Unterseite des kriechenden Monstrums kam und über das regennasse Glas glitt, wusste Sparkle, dass es nicht das kühle Wasser schmeckte, sondern nichts anderes tat, als sie zu verhöhnen. Anfangs schien das Gesicht vor Leid und Zorn verzerrt zu sein, doch sein Ausdruck verfinsterte sich zu rasender Wut, die durch nichts anderes als Spott verdünnt wurde, während sich der Mund zu einem schamlosen gepressten Hohnlächeln verzog.
Obwohl sie sicher war, dass die getrübten Augen sie sahen, ließ sie den Vorhang offen, denn solange sie die Abscheulichkeit sehen konnte, wusste sie wenigstens, wo sie war. Während es an der Scheibe hinaufkroch, schien das Ding weniger Interesse an seinem Vorankommen zu haben als daran, mit seinen Saugnäpfen an den Zehen jede Verbindung zwischen den Bronzesprossen und dem Glas zu erkunden, als suche es nach einer Lücke oder einer Schwachstelle, die es nutzen konnte, um hereinzukommen.
Gezackte Blitze spalteten den Himmel, und zum ersten Mal, seit Sparkle zugesehen hatte, wie ihr Vater verkohlt und gefällt worden war, unterließ sie es, aus Furcht vor dem tödlichen Potenzial zusammenzucken. Das grässliche Ding auf der Fensterscheibe verdiente ihr Grauen mehr als die helle Wut der Natur. Tatsächlich schien die auflodernde Nacht die Kreatur allerdings zu liebkosen, als sei sie ein Kind, das von dem Unwetter hervorgebracht worden war.
Sie musste im Wachraum anrufen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, damit es nicht ganz so verrückt klang. Sie würde dem Wachmann einfach auffordern, herzukommen und es sich selbst anzusehen. Ihm sagen, dass es dringend sei.
In Iris’ Zimmer gab es kein Telefon. Selbst der angenehmste Klingelton irritierte sie jedes Mal von Neuem.
Sparkle hielt ihren Blick auf das Monstrum am Fenster gerichtet, während sie langsam zum Bett ihrer Tochter zurückwich. Sie sprach leise und achtete darauf, sich keine Spur von Sorge anhören zu lassen, damit das Mädchen bloß nicht einen ihrer Panikanfälle bekam. »Iris,
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