Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
Schätzchen, es ist Zeit für einen Leckerbissen. Jetzt gibt es Eis, meine Süße. Komm mit in die Küche Eis essen.«
    Das Mädchen erwiderte nichts darauf und rührte sich auch nicht.
    Als die Abscheulichkeit von einer Scheibe des Sprossenfensters zur nächsten strebte, erzeugten ihre Haftfüße ein saugendes Geräusch auf dem Glas.
    Sie konnte das Kind nicht allein lassen, noch nicht einmal für die kurze Zeit, die sie gebraucht hätte, um vom nächsten Telefon aus im Wachraum anzurufen.
    Autismus war ein gnadenloser Zensor, der Iris die Fähigkeit zur Kommunikation verweigerte. Indem sie lange Absätze aus dem geliebten Buch Bambi auswendig gelernt hatte, hatte das Mädchen eine Möglichkeit gefunden, Zitate aus der Geschichte als eine Art Code zu nutzen, der es ihr dann und wann ermöglichte, einen Gedanken an ihrem Unterdrücker vorbeizuschleusen, indem sie ihn als die Worte einer anderen Person ausgab.
    In der Hoffnung, eine Brücke zwischen sich und ihrer emotional isolierten Tochter zu bauen, hatte Sparkle die Geschichte immer wieder gelesen. Manchmal hörte das Mädchen auf die vertrauten Zeilen aus dem Buch und verhielt sich entsprechend, doch wenn dieselbe Aufforderung anders formuliert wurde, ignorierte sie die Worte oder reagierte aufgebracht. Sparkle hatte zahlreiche Stellen gefunden, die sich als nützlich erwiesen, und sie auswendig gelernt.
    »› Er ist in den Wäldern und wir müssen gehen‹«, sagte sie, was sich eigentlich auf den Jäger bezog, der die Rehe in den Wäldern am Ufer der Donau in Angst und Schrecken versetzte.
    Iris blickte von ihrem Buch auf, sah ihre Mutter aber nicht direkt an, als sei der Blickkontakt zu qualvoll für sie.
    »›Fürchte dich nicht‹«, sagte Sparkle und zitierte Bambis Vater aus dem vorletzten Kapitel des Buches. »›Komm mit mir und fürchte dich nicht. Ich bin froh, dass ich dich mitnehmen und dir den Weg zeigen kann …‹«
    Wieder einmal wirkte das berühmte Kinderbuch Wunder. Iris legte das Buch, das sie gerade las, zur Seite, stand auf und ging auf ihre Mutter zu, ohne die kriechende Abscheulichkeit wahrzunehmen, die an dem Sprossenfenster weiter nach Einlass suchte.
    Sparkle hätte das Mädchen gern an der Hand genommen, doch jeglicher Körperkontakt würde das Mädchen verstimmen, ihrem Entgegenkommen ein Ende bereiten und vielleicht sogar eine heftige körperliche Reaktion hervorrufen. Daher wandte sie sich stattdessen ab und ging auf die offene Tür zu, als sei sie zuversichtlich, dass ihre Tochter ihr folgen würde, wie jedes Rehkitz dem Reh gefolgt wäre, das es zur Welt gebracht hatte. Als sie die Schwelle zum Flur überquerte, warf sie einen Blick zurück und sah, dass Iris hinter ihr herschlurfte.
    Sparkle glaubte, einen unmenschlichen Schrei zu hören, einen schrillen Laut, in dem sich immense Gier, Frustration und Wut ausdrückten, wenn auch gedämpft durch das Fensterglas. Aber das Geräusch war so fremdartig und so gruselig, dass sie glauben wollte, es sei nur die Stimme des kreischenden Windes, zu einem dünnen Falsett verweht.
    * * *

Winny
    Als Winny durch die Tür des Aufzugs schlüpfte, merkte er sofort, dass das Wandgemälde von den Vögeln verschwunden war, dass die gesamte Kabine aus Edelstahl bestand und dass die übliche Deckenbeleuchtung und die Kristallglaslampe an der Decke verschwunden waren, ersetzt durch Kreise, die trübsinniges blaues Licht verströmten. Eine Sekunde später stellte er die Verbindung zwischen diesem blauen Licht und den phosphoreszierenden Ringen her, die auf dem Fernsehbildschirm in seinem Zimmer pulsierten. Genau in dem Moment, als seine Mutter rief »Komm sofort wieder raus!« und die Tür begann sich zu schließen.
    Diese Türen hätten den Schließvorgang unterbrechen sollen, wenn man dazwischentrat, das war ein Sicherheitsmerkmal, doch sie zwängten Winny ein wie zuschnappende Kiefer. Sie waren nicht spitz, sie konnten ihn nicht beißen, aber sie waren stark genug, um langsam den Atem aus ihm herauszuquetschen oder seine Rippen knacken zu lassen und die gebrochenen Enden nach innen in sein Herz zu drücken. Als ihn seine Mutter an der Jacke packte, sah Winny vor seinem geistigen Auge Blut aus seiner Nase spritzen und aus seinen Ohren rinnen, und das erschreckte ihn genug, um sich im Griff der Türen zu winden und zu krümmen, bis er sich losgerissen hatte.
    Sich beinah losgerissen hatte. Die Türen schlossen sich um sein linkes Handgelenk, fest genug, dass es wehtat, und er konnte seine Hand nicht

Weitere Kostenlose Bücher