Nachtjaeger
sein«, stöhnte sie.
Im Zimmer brach Chaos aus. Ein großer Mann, den Jenna zuvor nicht bemerkt hatte, stieß einen Schrei der Wut aus. Er war blass und hager. Seine Augen wirkten ganz eingefallen vor Sorge. Mit einem Satz sprang er auf und eilte zu Morgan. Vier Männer konnten ihn gerade noch davon abhalten, seine Hände um ihren Hals zu legen und zuzudrücken. Sie packten ihn an den Armen und zerrten ihn fort, während er vor Zorn aufheulte und sich wie ein Wahnsinniger aus der Umklammerung der anderen zu befreien versuchte.
»Kenneth! Reiß dich zusammen, Mann!«, rief jemand dem Umsichschlagenden zu. Jenna begriff, dass es sich um Darias Ehemann handelte. Ihr Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen. Wie grauenvoll es sein musste, seinen Partner zu verlieren. Wie sie bluten würde, wenn etwas Leander zustieße. Wie sie tausend Tode sterben würde, wenn jemand ihn verletzte …
Ihren Partner.
Ihr Magen zog sich zusammen, als ob sie sich auf einmal im freien Fall befinden würde. Schlagartig stockte ihr der Atem.
Ihr Blick schoss zu Leander. Er stand aufrecht und aufs Höchste angespannt neben ihr. Sein ganzer Körper strahlte Gefahr und eine kaum kontrollierte Wut aus, als er Morgan hasserfüllt anstarrte. Sie weinte jetzt hemmungslos, während sie von einem Kreis von Männern umringt wurde. Jenna jedoch vermochte nicht den Blick von Leanders Gesicht abzuwenden. Sie vermochte nicht zu atmen, vermochte nicht, sich zu bewegen.
Für einen langen Moment konnte sie ihn nur ansehen – erstarrt und mit offenem Mund. Sie spürte, wie ihr ihre Vergangenheit und ihre Zukunft aus den Händen glitten und wie ihr Herz pochte und sich zusammenzog – als ob es sich in einem Todeskampf befände.
Wenn sie dich jemals finden sollten … Lauf! Und jetzt?
Was war jetzt mit ihr?
Hatte sie sich tatsächlich verliebt? Sie konnte doch nicht in ihn verliebt sein. Ein kalter Wind, der durch die offenen Fenster hereingekommen war, blies ihr ins Gesicht. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als ob sie sich in größter Gefahr befände.
Sie blinzelte und kehrte in die Gegenwart zurück, als gerade zwei Männer damit beschäftigt waren, Morgan an den Armen zu packen und von ihrem Stuhl auf die Beine zu zerren. Sie ließ es mit sich geschehen, ohne zu protestieren. Die Männer zogen sie in Richtung der Tür, während sie Morgan als »Verräterin«, »Monster« und »Hure« beschimpften.
Mit schwachen Knien und am ganzen Körper zitternd löste sich Jenna aus Leanders Griff. Sie musste laut rufen, um die wütenden Stimmen der Männer zu übertönen.
»Stopp!« Alle erstarrten. Leander drehte den Kopf in Jennas Richtung, als sie einen vorsichtigen Schritt nach vorne trat. Dann noch einen. Sie fühlte sich in Leanders Hose und Hemd, die ihr nicht so recht passten, den Blicken der anderen unangenehm ausgeliefert. Der kühle Holzboden sog bei jedem Schritt die Wärme aus ihren nackten Fußsohlen.
»Ich möchte mit ihr sprechen.«
Alejandros süßliche Stimme schwebte vom anderen Ende des Zimmers zu ihr hinüber. Sie kam ihr ganz unwirklich vor. » Meu caro, mischen Sie sich bitte nicht ein. Wir haben keine Zeit für ein Kaffeekränzchen, sie muss jetzt auf der Stelle befragt werden …«
»Ich werde nur Jenna antworten!«, schluchzte Morgan und lehnte sich an die Arme, die sie festhielten. »Keiner von euch Mistkerlen wird mich zum Reden bringen!«
»Was zum Teufel ist hier los?« Leanders Stimme hinter Jenna klang schneidend und hart. »Warum will sie nur mit dir sprechen?«
Jenna trat noch einen Schritt auf Morgan zu, ohne auf Leander zu achten.
»Wo hat man sie hingebracht?«, fragte Jenna sanft, während sie langsam durch den Raum schritt. Sie spürte die Blicke der anderen auf sich, als ob ihr Male in die Haut gebrannt werden würden.
Jetzt meldete sich Durga zu Wort. Er grollte wie ein Donner, der im ganzen Raum widerhallte.
»Sie haben nicht die Befugnis, diese Verräterin zu befragen, Lady Jenna – ebenso wenig wie Sie befugt sind, an diesem Treffen teilzunehmen.« Er drängte sich durch die Menge und baute sich vor Jenna auf. Sein dunkler, schwerer Körper blockierte ihr den Weg. Finster und unheilvoll funkelte er sie an. »Sie haben überhaupt keine Befugnis«, fauchte er. Er schürzte die Lippen und entblößte eine Reihe überraschend gleichmäßiger, weißer Zähne. Aufgebracht verschränkte er seine dicken Arme vor der Brust. »Ich bestehe also darauf, dass Sie jetzt gehen.«
Jenna spürte, wie Leander hinter ihr
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