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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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ihr erlauben würde, wenn er ihr nur einen Moment Zeit ließe. Doch er eilte bereits an ihr vorbei zur Tür und die Treppe hinab. Barfuß stolperte sie hinter ihm her, während er sie an der Hand durch die langen Korridore des Herrenhauses zerrte – den Herzschlägen und gedämpften Stimmen entgegen.
    Sie rissen die schweren Mahagonitüren zur Ostbibliothek auf. Schlagartig herrschte in dem großen Raum Stille.
    Alle waren dort versammelt: die Anführer der Ikati und Leanders Ratsmitglieder. Sie saßen starr vor Schock um den langen, rechteckigen Tisch oder hatten sich in kleinen Gruppen in den Ecken des Zimmers versammelt. Aus irgendeinem Grund standen alle Fenster weit offen, sodass es in der Bibliothek eiskalt war.
    Morgan saß allein in einer Ecke im Schatten. Sie hatte die Arme um sich geschlungen, als ob sie sich schützen wollte, und starrte auf den Boden. Als Jenna und Leander eintrafen, richtete sie den Blick erleichtert auf ihn.
    Diese Erleichterung wurde jedoch rasch von etwas wie Entsetzen abgelöst.
    Christian war der Erste, der seine Stimme wiederfand.
    »Ihr seid in Sicherheit«, sagte er kaum hörbar. Sein Blick war einen Moment lang auf Jenna gerichtet, ehe er zu ihrer Hand herunterwanderte, die Leander festhielt, um schließlich ihr zerzaustes Haar und ihre geschwollenen Lippen zu begutachten. Er lief dunkelrot an.
    Auch sie errötete, als ihr klar wurde, dass sie vermutlich nicht nur so aussah, als ob sie eine wilde Liebesnacht hinter sich hätte, sondern dass sie auch nach Leander roch. Ein Geruch, den alle im Raum wahrzunehmen vermochten.
    »Wir wussten nicht, wo ihr seid … Niemand konnte euch ausfindig machen …«, platzte es aus ihm heraus.
    »Was ist passiert?«, unterbrach ihn Leander harsch. »Wo ist Daria?«
    »Sie ist noch während des Festes verschwunden. Wir haben sie die ganze Nacht über gesucht. Und wir haben auch versucht, euch zu finden. Wir dachten, ihr seid alle verschwunden …«
    »Sie ist verletzt.«
    »Das wissen wir! Wir haben ihr Blut und Fußspuren gefunden, die aus dem Osttor führen. Zwei Wachen wurden getötet …«
    »Wie zum Teufel sind die hier hereingekommen?«, donnerte Leander und umfasste dabei Jennas Hand so fest, dass sie schmerzte. »Ich habe hundert Mann, die alles bewachen. Wir haben Sensoren und Kameras installiert …«
    »Ist das nicht deine Aufgabe?«, fauchte Christian. Er holte zitternd Atem. »Sicherzustellen, dass niemand hier herein- oder hinauskommt?« Sein Blick schoss zwischen Jenna und Leander hin und her und wanderte immer wieder von ihren verschränkten Fingern zu ihren Gesichtern hoch. »Oder bist du vielleicht etwas zu abgelenkt, um dich darum auch noch kümmern zu können?«
    »Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, sie zurückzubekommen«, unterbrach einer der Anwesenden. »Wir müssen uns darauf konzentrieren, den Rest der Kolonie besser zu bewachen …«
    Die Männer begannen mit immer lauter werdenden Stimmen zu diskutieren. Schon bald herrschte ein solches Durcheinander, dass Jenna ganz verwirrt war.
    Nur eine Stimme blieb seltsam still. Ihr Schweigen zog Jennas Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich, während ihr ein neuer Geruch in die Nase stieg. Es war ein düsterer, durchdringender Gestank, als ob etwas gestorben wäre und jetzt ganz in ihrer Nähe verwesen würde.
    Sie erkannte den Geruch sofort.
    Schuld. Es war der klebrige, aufdringliche, schreckliche Gestank von Schuld.
    Verzweiflung breitete sich wie eine Krankheit in ihrer Brust aus, während sie nach der Quelle des Geruchs suchte. Etwas Furchtbares war ihr auf einmal klar geworden. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie hatte das Gefühl, als ob sie gerade eine Giftpille geschluckt hätte.
    »Morgan!«
    Ihre Stimme hallte von den holzvertäfelten Wänden der Bibliothek wider. Das Entsetzen, das darin anklang, ließ die versammelten Männer abrupt schweigen. Leanders Finger umklammerten die ihren so fest, als ob sie sich in einem Schraubstock befinden würden, während dreißig Paar überraschte Augen zuerst zu Jenna und dann zu Morgan wanderten. Diese saß erstarrt und totenbleich auf ihrem Stuhl.
    Jennas Stimme wurde zu einem heiseren Flüstern der Anklage. »Was hast du getan?«
    Einen langen, endlosen Moment antwortete Morgan nicht. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und starrte Jenna an. Ihre Haare fielen ihr wie ein schöner, schwarzer Wasserfall über die Schulter. Tränen stiegen ihr in die Augen und begannen ihre Wangen hinabzulaufen.
    »Es sollte nicht sie

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