Nachtjaeger
Schritten zu Morgan und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht.
Durch den Schlag wurde ihr Kopf nach hinten geworfen, doch sie fing sich sogleich wieder und starrte ihn finster an. Ihr Gesicht war von Tränen und Wimperntusche verschmiert, doch ihr Stolz schien nicht gebrochen zu sein.
»Wie hat man dich überredet?«, wollte er wissen. Er bebte vor Zorn. »Warum wolltest du uns hintergehen?«
Morgan lachte freudlos. Ihr hübsches Gesicht wurde zu einer Grimasse des Hasses. »Warum ich euch betrügen wollte?« Sie lachte kalt auf. »Weil jede Entscheidung, die mich betrifft, nicht von mir selbst gefällt wird! Weil sogar der Hüter der Geschlechter bestimmt, wen ich heiraten soll, so, wie er das für alle anderen Frauen unserer Spezies bestimmt, damit die Blutlinien rein gehalten werden! Für euch sind wir doch nichts anderes als Zuchttiere!«
Viscount Weymouth schlug ihr erneut ins Gesicht. Diesmal tat er es so heftig, dass sie zu Boden stürzte, wo sie sich gerade noch mit den Ellenbogen abfangen konnte. Auf ihrer Unterlippe zeigte sich ein Tropfen Blut. Sie leckte ihn weg und fuhr sich dann mit dem Handrücken über den Mund. Das Blut wurde über ihr Kinn verschmiert.
»Hast du irgendeine Vorstellung, was du getan hast?«, rief Weymouth.
Die anderen Männer rückten näher. Sie starrten Morgan mit geballten Fäusten und Mienen an, die schwarz vor Zorn waren.
»Sie werden uns alle töten!«
»Dann lasst uns sterben!«, gab sie zurück. Ein Dutzend Hände fassten nach ihr und packten sie hart an ihren Handgelenken, Armen und der Taille. Sie wurde auf die Füße gezogen. »Wir leben sowieso bereits in Ketten, gefesselt, von eurem wunderbaren, verdammten GESETZ !«
Weymouth holte aus, um sie erneut zu schlagen, doch diesmal wurde er am Arm festgehalten.
»Nicht«, sagte Leander sehr leise. Seine Finger umschlossen das Handgelenk des anderen Mannes. »Nicht noch einmal.«
Der Viscount entwand sich seinem Griff und trat einen Schritt zurück. Keuchend und mit großen Augen massierte er die Stelle, wo Leanders Finger so fest zugepackt hatten.
»Bringt Morgan in eine Zelle, um sie zu befragen«, fuhr Leander fort. Seine Stimme war noch immer leise und zutiefst düster. Er wies mit dem Kopf auf Morgan, ohne jedoch den Viscount aus dem Blick zu lassen. »Und du wirst dort auf mich warten. Fang nicht ohne mich an. Ohne meine explizite Erlaubnis fasst man sie nicht mehr an. Ist das klar?«
Der Viscount nickte und wich noch weiter zurück.
»Und was ist mit ihr?«, wollte Durga wissen und zeigte zornerfüllt auf Jenna.
Leander drehte den Kopf, um Jenna erneut zu mustern. Es war eine einzige elegante Bewegung, die er mit seinem Hals ausführte, und für einen kurzen, schrecklichen Moment war sie sich sicher, ebenso wie Morgan ins Gefängnis geworfen zu werden. Sie presste ihre Fersen auf den Boden und blieb so aufrecht und ausdruckslos wie möglich stehen. Doch der Blick, mit dem er sie bedachte, und das schmallippige Lächeln, das sich auf seinem Mund zeigte, bohrten sich wie ein tödlicher Pfeil in ihr Herz.
All die Wärme und Weichheit, die im Wald zwischen ihnen bestanden hatte, wurde jetzt durch etwas Fremdes, Kaltes ersetzt. Es durchschnitt die Luft zwischen ihnen, glatt wie ein Stahlmesser, gefährlich, tödlich.
»Christian, Andrew.« Leanders Blick wanderte zu seinem Bruder und einem weiteren, viel größeren Mann. Dann kehrte er zu Jenna zurück. »Bringt Jenna in ihre Gemächer. Es darf niemand mit ihr sprechen. Wartet dort auf mich, bis ich komme.« Er wich noch einen Schritt von ihr zurück.
»Ihr werdet Daria ohne sie niemals finden!«, schrie Morgan und versuchte sich von den Händen zu befreien, die sie festhielten. Jemand riss ihr den Arm hinter den Rücken, sodass sie vor Schmerz zusammenzuckte. »Ohne Jenna ist sie so gut wie tot!«, fuhr sie fort.
Doch niemand achtete auf sie. Beinahe alle hatten ihren Blick stattdessen auf Jenna gerichtet.
Diese gab kein Wort des Protests von sich, als Christian zu ihr trat und sie sanft am Arm nahm. Sie sagte nichts, während er und Andrew sie aus der Bibliothek führten. Mit ausdrucksloser Miene schritt sie erhobenen Hauptes dahin. Auf keinen Fall wollte sie, dass man ihr ihre Angst ansah.
Aber als sie durch die Tür auf den Gang hinaustrat, konnte sie nicht anders: Sie musste einen letzten Blick auf Leander werfen.
Also drehte sie den Kopf und sah über ihre Schulter hinweg zu ihm hin. Er stand alleine in der Mitte des Raums, regungslos,
Weitere Kostenlose Bücher