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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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in ihr. Er wollte nicht, dass es zu einem Ende kam. Er wollte nicht, dass es jemals endete.
    Er fasste nach ihrem Kinn und hob es leicht an, damit er ihr Gesicht besser sehen konnte. Er wollte in ihre Augen blicken. In seine Nase stieg der Duft von nasser Rinde, Piniennadeln und der unverkennbare Geruch von Sex, der die Luft zu erwärmen schien.
    Beide sprachen kein Wort. Als ob die Zeit angehalten worden wäre, blickten sie einander tief in die Augen und warteten darauf, allmählich wieder in der Wirklichkeit anzukommen. Irgendwann zog er sich mit einem zärtlichen Kuss aus ihr heraus.
    »Ich hoffe, dass dir eines klar ist«, sagte er leise, wobei er sie fester in die Arme nahm und aufmerksam betrachtete. »Ich werde dir nicht erlauben, das wieder zurückzunehmen.« Er lächelte sie an, noch immer trunken vor Glück und Triumph. »Selbst wenn du es nicht ernst gemeint haben solltest, hast du es gesagt, und ich werde nicht erlauben, dass du es zurücknimmst.«
    Jenna sah zu ihm auf. Ihre Körper waren noch immer eng aneinandergepresst, und sie fühlte sich zufrieden … und vollkommen glücklich. Eine wunderbar goldene Freude hatte sich bei seiner ersten Berührung in ihr ausgebreitet – eine Freude und eine Lust, die sie gefangen nahm und fast in die Knie zwang.
    Jetzt – während er sie ansah, während der kühle Wind ihren nackten Körper umspielte und die Haut an ihrem Rücken von der rauen Rinde schmerzte – verstand sie, dass sie endlich das gefunden hatte, was sie ihr Leben lang gesucht hatte.
    Mehr als nur Antworten. Mehr als nur bloße Informationen oder trockene Fakten.
    Sie hatte Erfüllung gefunden.
    Jenna öffnete den Mund, um zu sprechen, um Leander zu erklären, dass sie wirklich meinte, was sie im wilden Taumel zu ihm gesagt hatte. Doch etwas hielt sie davon ab – etwas Seltsames, etwas Neues.
    Es war ein Geruch, ein kaum merklicher Hauch nach Kupfer und Salz, den der Wind zu ihnen brachte. Sie runzelte die Stirn, ohne den Blick von Leander abzuwenden, und versuchte herauszufinden, worum es sich handelte. Sie kannte diesen Geruch. Sie kannte auch das metallische Brennen in ihrer Kehle, das sie jetzt empfand. Doch der Geruch vermischte sich noch mit etwas anderem. Mit etwas Süßerem, etwas Blumigerem.
    Mit Teerosen.
    Mit Teerosen … Und Blut.
    Jenna stockte der Atem.
    Leander reagierte sofort. Sie spürte, wie sein Körper auf den Schock in ihrem Gesicht antwortete, wie sich seine Muskeln fast automatisch anspannten und sich sein Blick schärfte wie der eines Falken.
    »Was ist? Was ist los?«
    Sie blinzelte. Ein kalter Schauder lief ihr über die Haut. Der Wald, der noch vor wenigen Sekunden so einladend gewesen war, wirkte plötzlich drückend, eng, dunkel und gefährlich.
    »Daria«, flüsterte sie. »Es ist Daria. Sie ist verletzt.«
    Er wartete nicht ab, ob sie noch mehr sagen würde. Stattdessen packte er sie an den Handgelenken, blickte nach Westen Richtung Sommerley und wandte ihr dann wieder sein Gesicht zu. Seine Augen wirkten versteinert. Mehr Worte waren nicht nötig. Sie verstanden einander auch so.
    Zeitgleich verwandelten sie sich in Nebel und wanden sich durch den Baldachin aus Ästen, um in den Himmel hinaufzuschweben.

24
    Sie kehrten auf dieselbe Weise nach Sommerley zurück, wie sie es verlassen hatten, indem sie durch den Schornstein schossen, der zu dem riesigen Kamin in Leanders Schlafzimmer führte. Er verwandelte sich bereits wieder in seine menschliche Gestalt, als Jenna aus der Marmoröffnung schwebte und sich in einer Rauchsäule herabließ, um sich dann vor seinen Augen ebenfalls zurückzuverwandeln.
    Leander rannte zu seinem Schrank, wobei er so schnell war, dass seine Füße kaum den Boden zu berühren schienen, und riss eine beigefarbene Hose und ein weißes Leinenhemd von hölzernen Kleiderbügeln. Ohne etwas zu sagen, reichte er beides Jenna. Sie zog sich rasch an, schlug die langen Ärmel und Hosenbeine hoch und beobachtete währenddessen Leander, wie dieser Kleidungsstücke für sich herausnahm.
    Ihr Blick fiel auf den zerknitterten Haufen aus Mänteln, die noch immer auf dem Boden lagen. Dort hatten sie einander erst wenige Stunden zuvor geliebt. Leanders Miene wurde mit jeder Sekunde, die verging, angespannter und düsterer.
    Jenna vermutete, dass auch er jetzt den Gestank des vergossenen Blutes riechen konnte. Er war hier stärker wahrzunehmen und schien die Luft wie Schießpulver zu erfüllen. Sie würde die Quelle finden, woher der Geruch kam, wenn er es

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