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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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erinnern würde …
    … ein Gesicht wie das von Leander – dem Mann, der ihr Herz erobert und ihren Körper entflammt hatte. Dem Mann, der sie jetzt tot sehen wollte.
    Als das Holz zu knirschen begann, da es dem Druck nicht länger standzuhalten vermochte, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen.
    »Geh!«, drängte Christian und trat einen Schritt zurück. Er ließ sie dabei nicht aus den Augen. »Geh!«
    Ohne ein weiteres Wort verwandelte sich Jenna in Nebel und stieg durch das zerbrochene Fenster in den windgepeitschten Himmel empor. In diesem Moment zersplitterte die Tür und flog auf. Fünf Männer stürzten herein.
    Leander war der Erste, der seinen Fuß über die Schwelle setzte. Doch Jenna war bereits verschwunden.

26
    Das Haus war gesichtslos. Täuschend gesichtslos. Rote Ziegel und weiße Fensterläden mit einem winzigen, kleinen Rasenstück und einem Lattenzaun – genauso, wie bei den Nachbarn zur Rechten und zur Linken. Hinter den Gardinen rührte sich nichts. Man vernahm keine Stimmen, sondern hörte nur das Zwitschern von Vögeln, den abendlichen Verkehr und in der Ferne das schwache Motorengeräusch eines Flugzeugs, das einen perlengrauen Kondensstreifen im indigoblauen Himmel hinterließ. Im Haus brannte kein Licht, das darauf hingewiesen hätte, dass es bewohnt war.
    Jenna hatte den ganzen Tag gebraucht, um diesen Ort zu finden.
    Die Wohngegend war gut, aber nicht begehrt. Die älteren Fahrzeugtypen, die auf den Straßen geparkt waren, ließen vermuten, dass die Menschen, die hier lebten, zwar hart arbeiteten, aber nicht wohlhabend waren. Die Häuser hatten kleine, gepflegte Gärten und wirkten selbst bescheiden, ohne heruntergekommen zu sein. Es war ein ganz gewöhnlicher Vorort, wie es Tausende gab, auf jedem Kontinent dieser Erde.
    Es war ein Ort, wo man unauffällig untertauchen konnte, wenn man das wollte.
    Aber es war kein Ort, den Jenna freiwillig gewählt hätte, um sich zu verstecken. Es war ein Ort, den sie ausgesucht hatten.
    Der Gestank der Expurgari war jetzt so durchdringend wie nirgendwo sonst.
    Es war ein saurer, ekelhafter Geruch nach Gewalt, Neid und Gier mit einem unterschwelligen Blutdurst, der fast unerträglich war. Der Gestank lag auf dem Rasen des Rosengartens im Sommerley, wo man Daria entführt hatte, und er strömte aus dem unscheinbaren Haus, als ob es sich um einen bösen Nebel handeln würde. Das Ganze jagte ihr einen kalten Schauder über den Rücken.
    Sie war noch nie zuvor in London gewesen. Sie hatte sich auch noch nie an die Fersen einer mörderischen Bande von Psychopathen geheftet. Doch dieser Tag – dachte sie bitter und starrte aus ihrem Versteck hinter einer stinkenden Mülltonne auf einem Weg auf der anderen Seite der Straße –, dieser Tag hatte in jeder Hinsicht Neues gebracht.
    Es war das erste Mal gewesen, dass sie sich in ein Raubtier verwandelt hatte.
    Es war das erste Mal gewesen, dass sie sich verliebt hatte.
    Es war das erste Mal gewesen, dass ein Rudel tollwütiger Tiere, das vorgab, menschlich zu sein, sie des Hochverrats bezichtigt hatte.
    Jenna hatte nichts mehr gewollt, als einfach davonzufliegen und ihn zu vergessen. Vor allem ihn und seinen hinterhältigen, arroganten Rat mit diesen uralten, lächerlichen Feudalgesetzen; Gesetzen, die sie wahrscheinlich ihren Kopf gekostet hätten, wenn nicht Christian sich so heldenhaft für sie eingesetzt hätte. Doch noch ehe sie fliehen konnte, hatte sie den Geruch von Teerosen und Blut wahrgenommen, als sie in der Luft über Sommerley schwebte. Sie hatte nicht anders gekonnt hatte kehrtgemacht und war diesem Geruch gefolgt. Er hatte sie von der perfekten Idylle Sommerleys in die schmutzige, laute Metropole mit ihren verstopften Straßen und dem Chaos aus Menschen, Gebäuden und Fahrzeugen geführt. Nach London.
    Ihrem Vater hatte niemand geholfen. Er war als Verräter hingerichtet worden. Ohne Freunde, verloren und einsam. Aber sie war nicht so wie die Ikati, sie war ganz und gar nicht so. Sie hatte nicht vor, Daria sterben zu lassen – nicht, falls es irgendetwas gab, das sie dagegen tun konnte. Sie wollte ihnen beweisen, dass ihre Vorurteile den Menschen gegenüber genauso falsch waren wie die Vorurteile, die die Menschen den Ikati gegenüber hatten.
    Erst dann würde sie sich endgültig verabschieden.
    Sie hatte viele anstrengende Stunden damit verbracht, in Nebelgestalt durch regennasse Wolken und die verschmutzte Stadtluft zu fliegen, bis es ihr endlich gelungen war, dieses Haus ausfindig zu

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