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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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hielt.
    Jenna blickte in Beckys sommersprossiges, gebräuntes Gesicht und bemerkte den bewundernden Blick, den diese über ihre linke Schulter auf jemanden richtete, der soeben durch die Eingangstür getreten war. Dann sah sie in den Spiegel, der an der Wand hinter Becky hing und in dem man das ganze Restaurant gut überblicken konnte.
    Ein Mann, groß und dunkelhaarig, sah sich suchend im Restaurant um. Sein Blick wanderte durch den eleganten Raum. Er reichte der Garderobiere seinen Mantel, ohne sie anzusehen.
    Allein sein schiefergrauer Nadelstreifenanzug war es wert, bewundert zu werden. Der exakte Schnitt hob die breiten Schultern, die schmale Taille und die langen, muskulösen Beine hervor. Er sah so aus, als ob er absurd teuer gewesen wäre. Darunter trug der Mann ein schneeweißes Hemd, dessen Kragen ein wenig offen stand und die leicht gebräunte Haut seines Halses entblößte.
    Doch es war nicht sein eleganter Anzug, der die kultiviert anspruchsvollen Angestellten des Nobelrestaurants dazu brachte, diesen Neuankömmling genauer unter die Lupe zu nehmen. Es lag vielmehr an der Mischung aus Selbstbewusstsein, das Wissen um Privilegien und die eigene Anziehungskraft, die jeden sogleich in Bann zog. Die Präsenz dieses Mannes nahm sofort den ganzen Raum ein.
    Der Oberkellner, ein hochmütiger Mann namens Geoffrey mit gebücktem Gang und haarigen Handgelenken, die sich unter den gestärkten Manschetten seines Hemds zeigten, trat neben den Gast und wechselte ein paar Worte mit ihm. Dann verbeugte er sich.
    Jenna überraschte diese Geste. Neugierig beobachtete sie, wie Geoffrey den eleganten Herrn zu einem reservierten Tisch – dem besten – im hinteren Teil des Restaurants führte. Dort stand eine elegante Sitzbank aus taubengrauem Leder, die perfekt zu der pflaumenfarbenen Wand passte.
    Der Mann setzte sich mit der fließenden Bewegung eines Tänzers und nahm die Speisekarte und die Weinliste von dem Kellner entgegen, der wie aus dem Nichts neben seinem Tisch auftauchte. Der Herr wechselte ein paar weitere Worte mit Geoffrey, ehe dieser wie ein emsiges Wiesel davoneilte, allerdings nicht, ehe er den Kellner fortgescheucht hatte.
    Betont langsam und mit der leisesten Andeutung eines Lächelns hob der Mann den Kopf und warf Jenna in den Spiegel einen Blick zu.
    Seine Augen unter den langen, pechschwarzen Wimpern waren sehr aufmerksam und sehr grün. Sie sah, wie sie in der nur von Kerzen erhellten Dunkelheit des Restaurants funkelten. Sie erstarrte.
    Sein Lächeln wurde breiter. Er blinzelte kein einziges Mal.
    »Oh, Gott.« Jenna senkte den Blick und spürte, wie sich eine Röte über ihren Nacken und ihre Wangen ausbreitete. Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
    Eine schwache Erinnerung an den Traum von letzter Nacht tauchte in ihr auf: Hände, Lippen, Zunge.
    »Das ist er.«
    »Er wer?«
    »Ich kenne diesen Mann. Ich habe ihn schon einmal gesehen«, flüsterte sie Becky zu, wobei sie versuchte, ihre Lippen nicht zu bewegen. Sie hatte nämlich das unheimliche Gefühl, dass er sonst wüsste, was sie sagte.
    »Im Restaurant?«, entgegnete Becky überrascht. »Ich kann mich nicht an ihn erinnern.« Sie fuhr durch ihre wilden roten Haare und strich dann die schwarze Schürze um ihre Taille zurecht. »Ich würde mich garantiert an ihn erinnern, wenn er schon einmal hier gewesen wäre.«
    »Pssst!« Jenna starrte auf die Theke aus Granit. »Er hört dich sonst.«
    Becky stellte endlich das Weinglas in das Regal über ihren Kopf. »Also bitte. Er ist am anderen Ende des Raums, Jenna. Der kann mich gar nicht hören.«
    Jenna verlagerte ihr Gewicht vom linken auf den rechten Fuß und begann eine Papierserviette in kleine Stücke zu zerreißen. Sie war sich auf einmal ihres Körpers, ihrer nackten Beine und der warmen Luft auf ihrer Haut mehr als bewusst. Trotz des schlichten, schwarzen Cocktailkleids, das sie trug, fühlte sie sich auf einmal seltsam nackt.
    Innerhalb von dreißig Sekunden hatte sich ihr Pulsschlag verdoppelt.
    »Woher kennst du ihn?«, fragte Becky. Sie begann, einen Martini für einen der Kellner zu mixen.
    Jenna wagte nicht, erneut in den Spiegel zu schauen. Die Hitze, die ihre Wangen rötete, begann sich jetzt in ihrem ganzen Körper auszubreiten. Es war die gleiche pochende Hitze, die sie schon im Supermarkt verspürt hatte.
    Das war kein gutes Zeichen. Was zum Teufel war nur los mit ihr?
    Sie holte mehrmals tief Luft und ballte die Hände zu Fäusten, damit sie nicht mehr zitterten. Dann zählte

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