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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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ein Foto von ihr, das allerdings einige Jahre alt und leicht verschwommen war.
    Aber er kannte sie nicht. Er kannte nicht dieses Wesen aus Gold, Satin und weiblichen Kurven. Mit einer Haut wie Rosen, Sahne und Sonnenlicht auf Wasser. Im Gegensatz zu ihr waren die anderen seiner Spezies alle dunkel, mit Haaren so schwarz wie der Waldboden um Mitternacht und gebräunter Haut. Er hatte nicht geahnt, dass die Stärke seines Verlangens ihn dazu bringen würde, auf seine Knie zu sinken, nackt in der Dunkelheit zu kauern, sein Herz bis zum Hals pochen zu spüren und ihren Duft in sich aufzunehmen.
    Das hatte er nicht erwartet.
    Er nahm sie in sich auf und fragte sich zugleich, ob sie auch die Gabe der Schönheit besaß, die alle Ikati miteinander teilten. Schließlich war sie zur Hälfte ein Mensch und damit minderwertig. Sie gehörte jener untergeordneten Spezies an, die sich aus Erde und Schmutz entwickelt hatte und zu Gewalt, Gier und Krankheiten neigte. Er hatte noch nie einen einzigen dieser Menschen auch nur andeutungsweise attraktiv gefunden.
    Ihr Vater hingegen schon. Er hatte das Unvorstellbare getan und sich mit einer Menschenfrau vereint. Er hatte zudem Leanders Vater das Versprechen abgerungen, dass seine Halbblut-Tochter nicht nach Sommerley gebracht werden durfte, um dort bis zu ihrer ersten Verwandlung ein Leben in Gefangenschaft zu führen. So befahl es gewöhnlich das Gesetz. Jenna hingegen sollte es gestattet sein, frei von den Fesseln der Pflicht und der Einschränkung innerhalb der Kolonie aufzuwachsen.
    Für eine Frau gab es mehr Einschränkungen, als für so manche erträglich war.
    In der langen Geschichte der Kolonie hatte es immer wieder Deserteure gegeben. Mit ihnen hatte man ebenso rasch und gnadenlos kurzen Prozess gemacht, wie man das bei anderen Bedrohungen von außen tat.
    Leander beobachtete Jenna, bis die Muskeln in seinen Schenkeln zu schmerzen begannen. Dann stand er auf und trat lautlos neben ihr Bett. Selbst in Menschengestalt war er so leise wie eine Katze. Er sah in der Dunkelheit genauso gut wie am helllichten Tag. Überhaupt verfügte er über die geschärften Sinne der animalischen Seite in ihm.
    Gewöhnlich war das ein Vorteil. Jetzt jedoch … Jetzt war es eher Folter.
    Auf ihrem Nachtkästchen lag ein Buch. Er schlug es auf und las einen Abschnitt.
    Der Mensch ist das einzige Wesen, das konsumiert, ohne zu produzieren. Der Mensch gibt keine Milch, er legt keine Eier, er ist zu schwach, um mit bloßen Händen ein Feld zu pflügen, er kann nicht schnell genug laufen, um Hasen zu fangen. Trotzdem versteht er sich als Herr über die Tiere. Er lässt sie für sich arbeiten, und er gibt ihnen gerade genug, dass sie nicht verhungern. Den Rest behält er für sich selbst.
    Leander lächelte belustigt. Farm der Tiere von George Orwell.
    Welche Ironie.
    Er richtete den Blick wieder auf Jenna. Einen Moment lang betrachtete er den Bogen ihrer Lippen, ihre glatte Stirn, ihre weichen Wangen. Steckte mehr in ihr als die Sinnlichkeit, die sie ausstrahlte und die ihm so gut gefiel? Wie stand es mit ihrem Sinn für Humor, ihrer Intelligenz, ihrer Leidenschaft? Würde sie um ihre Freiheit kämpfen?
    Wie auch immer sich die Dinge entwickelten – die Zeit ihres Lebens in Freiheit war für sie auf jeden Fall fast vorbei. Wenn sie ihre Gestalt wandelte und ganz zu einer ihrer Spezies werden würde, musste er sie nach Sommerley zurückbringen. Notfalls sogar mit Gewalt. Sie würde der Kolonie beitreten und lernen, was es bedeutete, eine Itaki zu sein. Eines Tages wäre sie vielleicht sogar die Seine.
    Dieser letzte Gedanke kam so unerwartet, dass er komplett erstarrte, die eine Hand immer noch auf dem Buch.
    Die Meine.
    Er ging neben dem Bett in die Hocke. Eine lange, goldene Locke hing vom Kissen herab. Er hob sie hoch und drückte sie an seine Nase.
    Und wenn sie sich nicht verwandeln kann, wenn sie keine Gabe besitzt, dachte er und starrte auf ihre karmesinroten Lippen, die im Schlaf leicht geöffnet waren. Dann ist es die Aufgabe des Alpha, sie zu töten. Meine Aufgabe.
    »Jenna«, flüsterte er beinahe lautlos in die Dunkelheit.
    Sie bewegte sich ein wenig und gab ein leises Stöhnen von sich. Ihr Rücken drückte sich unter den Laken durch – eine schläfrige, laszive Bewegung, die ihren Körper einen Moment lang anspannte.
    Er sah ihre schmale Taille, ihren flachen Bauch, ihre vollen, perfekten Brüste.
    »Ja, bitte«, murmelte sie und sank dann mit einem Seufzer wieder auf die Matratze.
    Ein

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