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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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ausdruckslosen Miene abgelöst.
    »Für mich?«
    Er lehnte sich auf dem weichen Leder der Sitzbank zurück und legte lässig einen Arm auf die Rückenlehne. Seine Augen waren auf Jenna gerichtet. Wieder zuckte ein Muskel.
    Erneut tauchte lautlos der Kellner auf und stellte diesmal einen ovalen Teller mit drei winzigen Silberlöffeln ab, auf denen unterschiedliche Speisen platziert waren – verbunden mit einem Schlangenmuster aus Gurkensoufflé.
    »Die Amuse-Bouche .« Er zeigte auf die winzigen Portionen. »Einmal Kumamoto-Auster mit Gurkengelee, Millefeuille aus geräuchertem Lachs mit Osetra-Kaviar sowie eine Roulade aus Blauflossen-Thunfisch mit eingelegtem Fenchel.«
    Er wollte gerade den Teller vor Leander stellen, als Geoffrey erschien. Sein Lächeln hätte auch gut zu einem Haifisch gepasst.
    »Haben Sie sich für einen Wein entschieden, Gnädige Hoheit? Möchten Sie, dass ich Ihnen die Spezialitäten des Abends vorstelle?«
    Weder Jenna noch Leander achteten auf ihn. Sie starrten einander noch immer an.
    »Ja«, erklärte Jenna kalt. »Die Wahl passt perfekt zu Ihnen. Der ’61er Latour ist der Phallus-Wein schlechthin.«
    Geoffrey riss entsetzt den Mund auf. Der Kellner begann derart mit dem Teller Amuse-Bouche zu zittern, dass er ihm aus der Hand fiel und krachend auf dem Tisch landete. Leander blieb jedoch regungslos sitzen, den Blick weiterhin auf Jenna gerichtet, ein kühles Lächeln auf den Lippen.
    »Wirklich?«, sagte er so beherrscht und ruhig wie möglich. »Wie interessant. Bitte, klären Sie mich auf.«
    »Meine liebe, Königliche Hoheit, es tut mir unendlich leid. Ich versichere Ihnen, dass das Mélisse diese Art von …«
    Leander gab Geoffrey durch ein kurzes Winken zu verstehen, dass er nicht weiter zu reden brauchte. Währenddessen starrte er Jenna noch immer an. »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Lassen Sie uns allein.«
    Jenna sah aus dem Augenwinkel, wie Geoffreys Gesicht einen interessanten Auberginenfarbton annahm. Er packte den Kellner am Arm und zerrte ihn mit sich Richtung Küche.
    »Was sagten Sie gerade?«, fragte Leander.
    »Ich nenne diese Weine Phallus-Weine«, antwortete Jenna und bemühte sich, ihre Stimme weiterhin kühl und beherrscht klingen zu lassen, auch wenn sie innerlich brodelte. Sie wusste, dass sie für ihr Verhalten bezahlen musste, und dass sie wahrscheinlich ihre Stelle verlieren würde. Doch im Moment war ihr das egal.
    »Es sind die grotesk teuren Weine, die bestimmte Sorten von Mann bestellt, um ihre Männlichkeit zu beweisen. Männer, die keine Ahnung haben, worum es bei Wein eigentlich geht, die aber das dringende Bedürfnis verspüren, den eitlen Pfau zu markieren.«
    Ihr Lächeln wurde breiter, wohingegen seines völlig verschwand. »Ich glaube, dass ein Mann, der wirklich selbstbewusst ist, eine andere Wahl treffen würde. Sich für etwas weniger Protziges entscheiden würde.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen, und es schien sich eine Kluft zwischen ihnen aufzutun, die kaum mehr zu überwinden war.
    »Ich habe Sie beleidigt«, erklärte er schließlich. In seinem Gesicht spiegelte sich keinerlei Gefühlsregung wider, und seine Stimme klang ruhig und betont höflich. Nur sein Körper wies darauf hin, dass er nicht ganz so ungerührt war, wie er zu sein vorgab. Er hielt sich so stark am Tischrand fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. »Wieso?«
    Ihre Haltung war nun nicht mehr ganz so feindselig. Sie hatte erwartet, dass er empört und wütend reagieren, dass er sie vielleicht sogar anbrüllen würde. Die meisten Gockel wie er genossen es, beim geringsten Anlass jemanden zur Schnecke zu machen. Sie hatte sich auf eine heftige Auseinandersetzung vorbereitet und sich sogar bereits einige weitere scharfe Entgegnungen überlegt.
    Doch das hatte sie nicht erwartet. Nicht diese Geduld. Nicht diese … Nicht diese Anteilnahme.
    Jenna atmete durch und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. Plötzlich wünschte sie sich, irgendwo anders zu sein. Sie war müde und benahm sich schlecht.
    Mit einem Schlag verschwand die Wut und hinterließ nur ein Gefühl von Scham und das dringende Bedürfnis, nach Hause zu kommen, ins Bett zu gehen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen.
    Sie schloss die Augen und schluckte. »Geoffrey hat recht. Ich hätte so etwas nicht sagen sollen.« Sie seufzte und fuhr mit der Hand über die Stirn. »Es tut mir leid. Es war ein langer Abend. Ich bringe Ihnen sofort den Latour.«
    Sie wandte sich zum Gehen, während

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