Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
Vom Netzwerk:
öffnen.
    Leander schwebte vom Fensterbrett und ließ sich auf einem Bett aus Minze vor ihrem Schlafzimmer nieder. Die duftenden, samtigen Blätter des Strauchs berührten ihn sanft, fast zärtlich. Er wollte Jenna nicht dabei zusehen, wie sie sich auszog und ins Bett legte, auch wenn es ihm sehr schwerfiel, nicht auf der Stelle das Apartment zu stürmen und sie nach Sommerley mitzunehmen. Wie gern hätte er sie dorthin gebracht, in ihr, wie er jetzt sicher wusste, wahres Zuhause.
    Sie sah so verloren aus. So verängstigt. So … verletzlich.
    Du bist der Alpha, sie ist eine Ikati. Lass sie nicht im Stich.
    Das Bedürfnis, sie zu beschützen, wallte unerwartet und heftig in ihm auf. Gnadenlos.
    Ähnliches war schon früher einmal geschehen. Es gab Schutzmaßnahmen für solche Situationen, Sicherheitsvorkehrungen, die sie einbinden würden, Vorschriften im Gesetz. Er könnte sie zurückbringen und dort sicher verwahren.
    Jeder Nerv in seinem Körper drängte danach, sie auf der Stelle mitzunehmen. Doch er hielt sich noch zurück und wartete.
    Nachdem er durch den bereits vertrauten Riss über dem Badezimmerfenster in ihre Wohnung eingedrungen war, verwandelte er sich wieder in einen Mann und bewachte ihren Schlaf. Er wollte ganz sicher sein, dass ihr nichts passierte und dass sie nicht erneut von Angst ergriffen würde. Er beobachtete sie, weil er bei ihr sein wollte, falls sie ihn brauchte. Die Arme zur Seite ausgestreckt, die Haare auf dem ganzen Kissen verteilt, schlief Jenna ruhelos und voller Anspannung. Sie warf sich auf der Matratze herum, als ob sie in einem wilden Meer schwamm und versuchte, nicht unterzugehen.
    Erst als sie schließlich am späten Vormittag begann, zu sich zu kommen – die Sonne schien bereits safrangelb durch die Vorhänge –, war es ihm möglich, sie zu verlassen und zum Hotel zurückzukehren.
    »Es stimmt also«, sagte Christian leise. »Die kleine Streunerin kann sich verwandeln. Wer hätte das gedacht?«
    Christian saß auf dem Sofa der Präsidenten-Suite und beobachtete Leander. Dieser hatte es sich in einem Sessel ihm gegenüber bequem gemacht. Christians Augen waren unnatürlich hell. Er wirkte angespannt und grimmig, und in seiner Stimme schwang etwas Ungewöhnliches mit, eine unklare Emotion, die Leander noch nie bei seinem Bruder erlebt hatte. Etwas an seinem Verhalten verunsicherte Leander und ließ ihn vorsichtig sein. Warum interessierte es Christian, ob Jenna sich verwandeln konnte oder nicht?
    »Wenn sie ein Erdbeben spürt, den Hauch eines jahrzehntealten Feuers in einem Glas Wein wahrnimmt und schneller ist als ich, dann muss sie sich verwandeln können. Vielleicht«, fügte Leander hinzu und beobachtete dabei Christians Miene, »stellt sie sich als die Talentierteste von uns allen heraus.«
    Leander hielt den Blick auf Christian gerichtet, während dieser aufstand und zu der großen Fensterfront der Suite trat. Er fuhr sich mit einer Hand durch die dichten Haare.
    »Verdammt«, murmelte Christian. Sonst sagte er nichts.
    »Du wirkst … Du wirkst irgendwie verstört, Bruder.«
    Christian sah ihn an. Einer seiner Kiefermuskeln zuckte. »Wir haben die in Freiheit geborene, halb menschliche, wunderschöne Tochter des mächtigsten Alpha unserer Spezies gefunden, und du erklärst mir, dass sie sich wahrscheinlich nicht nur verwandeln kann, sondern möglicherweise begabter als wir alle zusammen ist. Stimmt. Ich bin verstört. Ich bin eindeutig verstört.«
    Leander zog eine Augenbraue hoch. »Wunderschön?«
    Die Brüder sahen sich den Bruchteil einer Sekunde länger an, als es Leander lieb war. Dann wandte sich Christian mit einem Schulterzucken ab. »Es geht mich vermutlich nichts an«, murmelte er, während er auf Los Angeles heruntersah. »Die Zweitgeborenen haben nie die erste Wahl.«
    »Willkommen im Klub«, sagte Morgan hinter den beiden. Sie hatte gerade den Raum betreten. »Wie würde es euch gefallen, wenn ihr niemals die Wahl hättet, weil sich zwischen euren Beinen zufälligerweise nun mal kein Penis befindet?«
    »Nun hör aber auf, Morgan«, fuhr Leander sie an. Er verlor allmählich die Geduld. Wütend musterte er die Neuhinzugekommene. »Es reicht. Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie wir Jenna nach Sommerley bringen, ehe sie wieder flieht. Ehe sie sich zum ersten Mal verwandelt. Es muss noch heute geschehen. Am besten gleich.«
    »Nein!« Morgan stemmte die Arme in die Hüften und starrte ihn trotzig an.
    Sie stand mitten in der elegant möblierten Suite

Weitere Kostenlose Bücher