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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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bringen.«
    »Ich bringe dich überallhin, wo du willst«, antwortete er mit zärtlichem Blick.
    Sie nickte. Eine Benommenheit breitete sich in ihr aus und legte sich Eiseskälte gleich auf ihr Herz. »In Sommerley sind noch andere – andere wie mein Vater. Andere wie du und … Wie ich. Sind die meisten von uns dort?«
    »Sehr viele«, sagte er. Sein Gesicht wurde wieder von dieser animalischen Gier erhellt, und das Pochen seines Herzens hallte klar und kraftvoll in ihren Ohren wider.
    Sie spürte sein Verlangen, das sich heiß und leidenschaftlich in ihm ausbreitete. Sie roch seine Haut, schmeckte seine Lippen, glaubte, die Wärme seiner Hand noch immer auf ihrem Rücken fühlen zu können. Auch sie begehrte ihn, obwohl es leichtsinnig und verrückt war. Er war gekommen, um sie zu entführen. Sie durfte ihm nicht trauen. Niemals.
    Also beschloss sie, ganz einfach nichts für ihn zu empfinden. Sie würde ihn nicht an sich heranlassen.
    Mit einer Willenskraft, von der sie bisher nicht gewusst hatte, dass sie so stark sein konnte, verdrängte sie alles aus ihrem Inneren. Sein Verlangen – ebenso wie das ihre –, die Flut von Geräuschen, die Masse von Gerüchen und Empfindungen. Am schwierigsten war es, seinen Herzschlag auszublenden. Das Pochen weigerte sich, aus ihren Ohren zu verschwinden, obwohl sie sich so sehr konzentrierte, dass sie beinahe zu atmen aufhörte.
    »Ich möchte dich um etwas bitten, ehe wir weitermachen«, erklärte Jenna leise. Sie musterte ein letztes Mal sein Gesicht, um sich an die geschwungenen, perfekten Züge zu erinnern, so wie sie sich vor langer Zeit das Antlitz ihres Vaters eingeprägt hatte.
    Eine weitere, wunderbare Erinnerung, die sie hatte löschen müssen, um zu überleben.
    »Ja«, antwortete er heiser. Er lehnte sich in seinem Sessel vor und wirkte dabei so angespannt, als ob er jeden Augenblick zerspringen müsste. Seine Augen glitzerten unwirklich grün. »Alles, was du willst.«
    Sie sah ihn an – diese Augen, diese Lippen, diesen starken, muskulösen Körper. Seine Schönheit war beinahe überirdisch, doch jetzt spürte sie nichts mehr. Von einer Sekunde zur anderen hatte sich ihr Herz in ein kahles, kaltes Land verwandelt. Es war leblos geworden.
    Jenna nickte zufrieden. Diese Leblosigkeit war gut. Sie würde ihr helfen, weiterzukommen.
    »Ich bitte dich um dein Wort, Lord McLoughlin. Das heißt – nein«, verbesserte sie sich und schüttelte leicht den Kopf, sodass ihre honigblonde Mähne auf dem Kaschmirüberwurf hin und her wippte. »Ich möchte dich um einen Schwur bitten.«
    »Was auch immer«, sagte er und hob instinktiv die Hand, um sie zu berühren.
    »Versprich mir, mich nie mehr anzufassen«, sagte sie hart und so kalt wie das Eis, das in ihr war.
    Leanders Hand hielt in der Bewegung inne. Er sah Jenna in die Augen und konnte dort eine neue Entschlossenheit entdecken, die ihn erschreckte. Mit einem leichten Schock, der ihm die Sprache verschlug, wurde ihm klar, dass sie es todernst meinte.
    Er senkte die Hand, um sie auf dem kühlen Holz der Armlehne ruhen zu lassen. Einen stummen Moment lang betrachtete er Jenna. Die Welt schien stehen zu bleiben. Staub tanzte in einem Lichtstrahl, der durchs Fenster fiel, in der Luft – ähnlich ziellos, ähnlich hilflos wie er sich in diesem Augenblick fühlte. Er hatte Jenna gefunden. Er hatte sie begehrt. Es war ihm nicht gelungen, sie wirklich zu berühren. Nachdem sie ihm jetzt ihre Absichten klargemacht hatte, blieb ihm nur noch seine Pflicht, sie nach Sommerley zu bringen.
    Mit steifem Rücken lehnte er sich zurück, kaum fähig, seine Glieder zu bewegen. Seine Antwort klang weich und leise.
    »Wenn es das ist, was du willst, Jenna, dann sollst du es bekommen.«
    Kaum sichtbar ließ die Anspannung in ihrem Körper ein wenig nach. Sie lächelte sogar, auch wenn es freudloses Lächeln war. »Sehr gut«, sagte sie etwas wärmer. »Wann reisen wir ab?«

10
    »… und der Beluga«, sagte Morgan, ehe sie sich einen weiteren Löffel schimmernd weißen Kaviars in den Mund schob, »ist sagenhaft. Du solltest ihn probieren.«
    Jenna rümpfte die Nase, während sie die Fischrogen betrachtete, die vor Morgan standen. Dann blickte sie wieder durch die regennasse Scheibe. Sie waren im Landeanflug. Riesige, smaragdgrüne Wälder, darin eingebettet Felder auf grünen Hügeln und niedrigen Steinmäuerchen, lagen unter ihnen. Regenschwere Gewitterwolken ballten sich im düsteren Himmel über ihnen zusammen, und in der Ferne erhellte

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