Nachtjaeger
müssen. Als sie, Morgan und Christian die lange Treppe vom Jet heruntergestiegen waren und das nasse Rollfeld betreten hatten, um sogleich von dem Butler und einem Crewmitglied mit schwarzen Regenschirmen in Empfang genommen zu werden, wurde Leander bereits in einer der schwarzen Limousinen weggebracht, die auf die Ankömmlinge warteten.
»Verdammt«, murmelte Morgan, während sie beobachtete, wie die roten Rücklichter seines Autos in der Nacht verschwanden. Die Reifen ließen den Regen aufspritzen, der sich im Licht der Scheinwerfer in einen Schauer aus regenbogenfarbenen Tropfen verwandelte.
Jenna versuchte, den Druck in ihrer Brust zu ignorieren, als sie zusah, wie der Wagen davonbrauste. Sie holte tief Luft und nahm den dunklen, unvertrauten Geruch von nassem Torf, Heidekraut und Moos, der sich auf ihrer Haut festsetzte, in sich auf. Es war eine Atmosphäre, die zugleich einladend und kühl, vertraut und doch fremd war.
»Nun gut«, sagte Christian. Er stand direkt hinter ihr. »So haben wir zumindest mehr Platz.«
Er schnippte mit den Fingern und warf Jenna ein schnelles, zögerliches Lächeln zu, ehe ein uniformierter Fahrer aus der Limousine sprang. Er eilte um das Auto herum und öffnete eine schwere, schwarze Tür, um dann mit stoischer Miene abzuwarten, bis alle eingestiegen waren.
Christian wies auf die offene Tür. Seine Augen nahmen einen durchdringenden Ausdruck an. »Verehrte Dame«, sagte er. »Bitte nach dir.«
Leander hatte vor der Landung in Sommerley angerufen, um sicherzustellen, dass er einen eigenen Wagen zur Verfügung haben würde, der ihn zurückbrachte. Er nahm an, dass er nach elf Stunden in einem so kleinen Raum – so luxuriös das Flugzeug auf sein mochte – dringend Zeit für sich brauchte. Schließlich war er ständig von Jennas Duft und ihrer ruhigen, angenehmen Stimme umgeben gewesen.
Er hatte recht gehabt.
Müde rieb er sich das Gesicht und ließ dann den Kopf auf das Polster der Limousine sinken. Gott, seine Schläfen pochten vor Schmerz. Die ganze Zeit über seinen Platz nicht zu verlassen und alle Instinkte zu ignorieren, die sich in ihm aufbäumten, hatte ihm derart unangenehme Kopfschmerzen bereitet, dass er befürchtete, sie könnten in eine Migräne übergehen.
Er war es nicht gewöhnt, still zu sitzen. Er war es nicht gewöhnt, nicht das zu bekommen, was er wollte.
Er sah, wie draußen die Nacht in ihren gedämpften Farben vorbeiflog, verschwommen hinter der verregneten Scheibe. Der Fahrer raste mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit über die schmalen Straßen Englands dahin, während Leander überlegte, was ihn an Jenna so faszinierte, so in Bann zog.
Natürlich hatte es andere Frauen gegeben. Viele andere Frauen, wenn er ehrlich war. Seine Jugend hatte er mit dem Studium, Sport und der Traditionslehre seines Stammes verbracht, doch es war stets genug Zeit gewesen, um sich mit einem hübschen, jungen Ding in den Wald zu verziehen und dort anderes zu erkunden.
Und das hatte er auch getan.
Für den Sohn des Alpha, der eines Tages selbst Alpha sein würde, war es nicht schwer gewesen, willige Partnerinnen zu finden. Schöne Frauen mit bräunlichem Teint und lodernden Augen, die ihn schamlos mit stummen Blicken einluden, ihm ihren Körper und manchmal auch ihre Seele darboten. Er kannte die besten Ecken des Waldes und die dunkelsten Verstecke, wo das Gras besonders weich war.
Doch trotz ihrer Leidenschaft und ihrer Schönheit hatte ihn keines dieser sinnlichen Panther-Mädchen seiner Jugend jemals tief berührt. Bisher war er noch nie verliebt gewesen.
Er hatte seine Eltern beobachtet, um herauszufinden, was Liebe bedeutete. Sie waren glücklich miteinander gewesen. Nach fünfunddreißig Jahren Ehe hielten sie noch immer Händchen, küssten sich und sahen sich voller Wärme und Sehnsucht an.
So etwas war typisch für ihre Spezies. Die Ikati waren monogam. Sie verbanden sich für ein Leben. Sobald einmal das Ehegelöbnis in der winzigen Kapelle aus roten Ziegelsteinen in Sommerley gegeben worden war, gab es nichts, was Frau und Mann voneinander trennen konnte. Die Ikati quälten keine Affären, keine Scheidung, keine Midlifecrisis. Nur der Tod trennte sie.
In dieser Hinsicht hatten seine Eltern Glück gehabt. So schrecklich der Unfall auch gewesen war, so hatte er es ihnen doch ermöglicht, gemeinsam dieses Leben zu verlassen. Leander vermutete, dass sein Vater schrecklich gelitten hätte, wenn er den Unfall überlebt hätte und seine Frau nicht. Er
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