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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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leicht überwinden lässt.« Er führte die Tasse an seine Lippen, ohne den Blick von Leander zu lassen. »Ein Eindringling müsste geradezu eingeladen werden, um unsere Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden. Ich bin mir sicher, dass ihr von dieser Seite aus keine Gefahr droht.«
    »Zumindest für den Moment«, sagte Christian, der angespannt und finster am anderen Ende des Tisches saß.
    Alle Augen richteten sich auf ihn.
    Auch er machte einen sehr mitgenommenen Eindruck. Seit drei Tagen trug er das gleiche Hemd und hatte sich während der letzten zwei nicht mehr die Mühe gemacht zu duschen oder sich zu rasieren. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und ließ ein nervöses Seufzen hören.
    »Sie kennt diese Wälder noch nicht. Sie kennt Sommerley noch nicht … Sie hat keine Ahnung, wo unsere Grenzen sind. Und wenn sie sich wirklich in Nebel verwandeln kann, wie Leander behauptet …« Er ignorierte Leanders eisigen Blick und fuhr ungerührt fort. »… kann sie einfach davonfliegen, um nie mehr wiederzukommen.«
    »Danke, Christian«, sagte Leander. »Das war wirklich hilfreich. Und jetzt halt den Mund.«
    »Ich will damit nur sagen«, fuhr Christian fort und wandte sich wieder an den Viscount und Morgan, »dass Jenna nicht nur keinen Grund hat, sich hier niederlassen zu wollen, sondern dass sie vielmehr gute Gründe hat, uns alle zu hassen.« Er warf Leander einen Blick zu, während er sich an die Armlehnen seines Sessels klammerte. »An ihrer Stelle hätte ich das Gleiche getan.«
    »Willst du damit andeuten«, fragte Leander mit tödlichem Ernst, »dass es falsch von mir war, ihr die Wahrheit zu sagen?«
    Der Viscount räusperte sich und stellte seine Tasse vorsichtig wieder ab. Er beugte sich vor und rückte seine Brille zurecht. »Vielleicht ist es etwas viel gewesen … Und schnell …«
    Als Leander die Augen von Christian weg direkt auf ihn richtete, räusperte sich der Viscount erneut. »Sie ist nicht so aufgewachsen wie wir. Es muss ein großer Schock für sie gewesen sein«, fügte er hinzu, wobei in seiner Stimme der Anflug von Ärger mitschwang.
    Im Raum breitete sich bleierne Stille aus. Der Warnruf einer Spottdrossel vor den Fenstern stieg laut und durchdringend in die Luft und drang wie eine scharfe Messerklinge zu ihnen in die sonnendurchflutete Bibliothek.
    »Wobei ich mir natürlich sicher bin, dass du deine Gründe hattest«, beendete der Viscount dürftig seine Anklage. Auf einmal schien der Kaffee in seiner Tasse von größtem Interesse für ihn zu sein.
    »Wir sind auch nicht so wie die anderen«, entgegnete Leander harsch. Seine Augen funkelten, als er sie alle nacheinander musterte. »Wir sind nicht wie die Expurgari oder die Menschen oder die anderen Tiere, die auf dieser Erde wandeln. Wir sind stärker als die anderen, wir stellen uns der Wahrheit. Wir sprechen sie aus. Wir haben Jahrtausende der Verfolgung überlebt. Sie haben uns darum beneidet, stärker als alle anderen zu sein, und ich weiß, dass auch Jenna zu denjenigen gehört, die wissen, wie man überlebt. Ich werde mich nicht auf deren Ebene herablassen und lügen. Wir sind Ikati. Wir stehen über allen anderen, über diesen kleinlichen Streitereien, dieser Habsucht, diesen Lügen.«
    »Wohl wahr«, sagte Morgan und musterte ihre perfekt manikürten Nägel. »Du hast völlig recht.« Sie blickte Leander ins Gesicht, und plötzlich ließ Wut ihre Stimme schärfer klingen. »Aber es steht uns nicht zu, jemanden mit guten Absichten und einem unschuldigen Herzen zu unserer Gefangenen zu machen. Auch wenn dieser Jemand das noch nicht ganz verstanden hat. Es steht uns auch nicht zu, Jenna unseren Gesetzen unterwerfen zu wollen. Gesetze, die fremd für sie sind, Gesetze, die ihren Vater das Leben gekostet haben.«
    Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schlug ein langes Bein über das andere. »Gesetze, die sie zu einem bloßen Objekt degradieren, wenn sich herausstellt, dass sie zur Fortpflanzung fähig ist. Nein«, sagte sie leise, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. »Das steht uns wahrhaftig nicht zu.«
    »Wir haben das schon oft genug diskutiert, Morgan«, meldete sich der Viscount zu Wort, ehe jemand anderer sprechen konnte. »Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte Male, würde ich behaupten.« Er lehnte sich vor. Es war offensichtlich, wie erleichtert er war, dass Leander seine Aufmerksamkeit nicht mehr allein ihm zuwandte. Er begann mit dem Zeigefinger auf dem Tisch zu trommeln – ein Stakkato, mit dem er seine

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